Salzabbau in Hallstatt

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Beitragvon Nika E.S. » 11.07.2006 11:28

aaalso:

Die Stollen der nördlichen Gruppe waren UK, die östlichen HaC bis anfang HaD, dann ist dort Wasser eingebrochen, oder Murenabgänge, oder sowas... Woraufhin sie den größten Teil zum Dürrenberg verlagert haben, aber auch LT gabs noch Bergbauaktivität, und zwar die Westgruppe.
Welche funde dem allerdings zuzuordnen sind ist ungewiss, und die Textilreste sind wohl tatsächlich eher Ha.

...Ach ja, und in den Stoffresten waren Nissen von Läusen, und in den gefundenen Kotresten fanden sich Würmer(-reste /- eier?).
Mit Hygiene hatten sie's also nicht so.
:?
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Beitragvon Dain II. » 11.07.2006 11:34

Na ja, zumindest die armen Hunde die dort in den Minen schuften mussten :? .

lg Stephan
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Beitragvon Nika E.S. » 11.07.2006 15:54

Also die Nissen von den Läusen fanden sich an sehr hochwertigen Textilresten die dort als Lappen verwendet wurden... Ob die da reinkamen als sie noch von der Oberschicht am Leib getragen wurden ist nicht mehr zu sagen...

Und zu den Würmern: damit steckt man sich nicht an frischen Exkrementen an, die Eier müssen dort drin ein paar Wochen liegen... Sprich, Nahrungsmittel müssen damit lange nach der 'Niederlegung' in Kontakt gekommen sein... entweder weil man damit Gemüse düngte, oder weil man schlicht nichts wegräumte... Deswegen glaube ich kaum, daß ein solches Problem nur allein die Unterschicht betrifft.
...Und vermutlich wurden die auch aus wärmeren Regionen eingeschleppt...
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Beitragvon Hans T. » 11.07.2006 16:47

Mir der Strukturierung der Gesellschaft dort im und am Bergwerk bin ich seit den Grabungsergebnissen der 1990er (irgendwann, genaues Datum hab ich jetzt nicht im Kopf) vorsichtig geworden. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, hat man bei den neu gegrabenen Körperbestattungen die Skelette anhand der Muskelansatzstellen und der Abnutzungsstellen genau untersucht. Das verblüffende Ergebnis war, das auch bei den metallisch und keramisch reich ausgestatteten Gräbern, also der vermeintlichen Oberschicht, Leute bestattet wurden, die Schwerstarbeit geleistet hatten, auch die Frauen! Wie also die Sozialstruktur tatsächlich war, kann man an der Ausstattung offensichtlich nicht 1:1 ableiten. Offensichtlich konnte man auch als Schwerarbeit zu Reichtum gelangen. Ob also die Menge der Ausstattung ein Indikator für Macht oder höhere Stellung ist..eher nicht. Wohl eher wie der Malocher, der sich von den Überstundenvergütungen einen Benz und ein Reihenhaus leistet.
( Flapsig, unwissenschaftlich etc etc...)

Hans
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Beitragvon M. Mödlinger » 11.07.2006 17:20

Ja, das war die Diplomarbeit von Doris Pany: Mining for the miners? : an analysis of occupationally- induced stress markers on the skeletal remains from the ancient Hallstatt cemetery, 2003.

Liebe Grüße,
Marianne
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Beitragvon Steve Lenz » 11.07.2006 17:43

Ich find?s bemerkenswert, dass die Prunkausstattungen immer Leuten "in bestem Alter" beigegeben wurden - also Männern und Frauen um die 40.

Mir ist kein reich bis sehr reich ausgestattetes Grab bekannt, in welchem Leute in ihren 20ern lagen!
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Das Weiße Gold der Kelten

Beitragvon Medusa » 11.07.2006 19:45

Zu diesem Thema läuft auch noch bis 30.07. die Sonderausstellung "Das weiße Gold der Kelten" im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover. Nähere Info hier:

http://www.nlmh.de/d/data/akt1.html?sonder_id=50
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Beitragvon Hans T. » 12.09.2006 21:13

Einfache Fragen, aber schwer zu beantworten. Ich versuchs mal so:

Weshalb soll den Kelten etwas schwieriger gewesen sein, als Leuten aus dem Mittelalter? Schwer zu erklären, was ich meine...
Man sollte sich die keltische Sozialstruktur nicht zu simpel vorstellen, auch was die Handelsverbinungen anbelangt. Diese funktionierten ja seit der Bronzezeit praktisch europaweit. Man kann und darf sich den Salzabbau in Hallstatt nicht weniger komplex organisiert vorstellen wie in den Jahrhunderten danach - und davor!

Salzabbau in Hallstatt fand seit dem Neolithikum statt und wurde in der Bronzezeit dann richtig mit Schacht- und Stollenbau betrieben. Die 'Kelten' der Hallstattzeit mussten da nix neues erfinden, war schon alles da.

Was die Exploration anbelangt: Beobachtung des Gesteins und Versuch und Irrtum. So hat es über Jahrtausende funktioniert.

Und wie gesagt, der Abbau dort ging nicht über 1-2 Jahre, sondern über Jahrhunderte.

Was die Versorgung mit Lebensmitteln anbelangt: So ungünstig liegt es gar nicht. Der See ist ein perfekter Verkehrsweg, besser als jede Holperstrasse. Die Lebensmittel konnten gut transportiert werden. Man darf auch nicht vergessen, die Winter waren nicht so hart, die Lebensmittelproduktion lief besser damals in den Alpen.

Und: Es gibt sehr wohl archäologische Hinweise auf die Produktion direkt vor Ort. Ein Holzbau wird als Produktionsstätte von Salzfleisch interpretiert, die alten blinden Schächte eigneten sich hervorragend zum Trocknen des Fleisches. Das heisst aber auch, das die Frischfleischproduktion vor Ort stattfand. Gelände ist ausreichend vorhanden, soooo wenig Platz ist in Hallstatt nun auch wieder nicht. Man sollte sich nicht von der Lage der modernen Siedlung beeinflussen lassen.

Grüße
Hans
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Beitragvon Steve Lenz » 12.09.2006 21:54

Wie Hans schon sagte:

Die Ressourcen waren seit dem Neolithikum bekannt - aber die Werkzeuge, Infra- und Sozialstrukturen entwickelten sich über Jahrtausende hinweg weiter.

Sorry - das war von mir ich war nicht eingeloggt ...


Danke für den Hinweis:

Gibt also tatsächlich hier noch Foren, welche öffentlich sind..
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Beitragvon Hans T. » 13.09.2006 19:00

Ich hatte das schon verstanden, mit den 1-2 Jahren. Die Prospektion von Gestein etc, egal nun, ob zB nach Kupferadern oder nun nach Salz ist uns heute tatsächlich etwas rätselhaft, aber ich denke, dazu sind wir zu verwissenschaftlicht. Man bedenke alleine die Suche nach Zinn - es kommt metallisch gar nicht so vor. Hier zB geht die Vermutung nach 'Zeigerpflanzen', die entsprechende Hinweise gaben.

Was die Bergwerke nun angeht: Es gibt ja auch genügend Hinweise auf blinde Schächte, die nicht zum Erfolg geführt haben. Und die Frage nach der Rentabiliät bzw Zwischenfinanzierung: Es gab keine Banken, die Kredite kündigen konnten, es gab McKinsey nicht, die ganze Verbetriebswirtschaftung spielte wohl nicht die Rolle wie heute. Die einzige Folge war wohl, dass das Gesamtgewicht an Metall, das mann/frau herumtrug halt wohl etwas geringer war, wenn die Erträge geringer waren. Man gucke sich mal die Grabausstattungen in Hallstatt an... :)

Grüße
Hans
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Re: Salzabbau in Hallstatt

Beitragvon ulfr » 28.09.2011 09:21

Anfang letzter Woche hatten ´Lfen und ich das Glück, die aktuelle Grabung in Hallstatt besuchen zu dürfen. Die Publikation der folgenden Bilder ist mit dem Ausgräber abgesprochen.

Vom Hallstätter See fährt man mit einer Seilbahn in wenigen Minuten ins Hochtal. Links zieht sich das berühmte Gräberfeld bis zum Waldrand, im Hintergund die Gebäude der Salzproduktion.

Bild

Der Eingang in den Christina-Stollen, der 1719 eröffnet wurde. Bei seinem Vortrieb hat man mehrere prähistorische Stollen angefahren.

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Einer dieser Stollen, die von der Oberfläche schräg nach unten in die Salzschichten führten.

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Bei dem Bergsturz von ca. 1240 v.Chr. wurden ganze Bäume mit in die Schächte gerissen, hier das Wurzelwerk eines der Bäume. Die Gänge der heutigen Ausgrabung arbeiten sich durch einen riesigen Haufen Dreck, Schutt, Holz und Salz, die Archäologen versuchen, die Dimensionen der alten Strecken und Hallen, in denen das Salz gehauen wurde, zu erfassen

Bild

Das berühmte Lindenbastseil, mit dem wohl die gefüllten Wollsäcke nach oben transportiert wurden. Unklar ist immer noch, ob das Seil über eine Rolle geführt wurde bzw. wie der Transport nach oben überhaupt bewerkstelligt wurde.

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Unter Tage (ca. 600 m im Berg und 150 m unter der Oberfläche) ist es ausgesprochen eng, teilweise schlimmer als in einem U-Boot, die Gänge der Grabung sind gerade mal mannsbreit und etwa 1,70 hoch, also nix für langen ULFR. Wenn dann noch nebenan der Presslufthammer röhrt und dieser Pudding aus Schutt, Lehm und Salz zu zittern beginnt ... ich neige nicht zur Klaustrophobie, aber das war grenzwertig... :shock:

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Die einzigartige Stiege aus Holz, deren Neigung verstellbar ist - ein spektakulärer Fund.

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Hallstatt ist auf jeden Fall einen Besuch wert, zum Übernachten empfiehlt sich das Brauhaus Lobisser - wunderschöne Zimmer, zivile Preise, bestes Essen: http://www.brauhaus-lobisser.com/
Im Besucherzentrum "Salzwelten" waren wir nicht, aber auch das lohnt sich bestimmt. http://www.salzwelten.at/salz/index.php ... mid=63de/1
Auf jeden Fall im Museum in Hallstatt vorbeischauen: http://www.museum-hallstatt.at/

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Re: Salzabbau in Hallstatt

Beitragvon LS » 28.09.2011 10:27

Na, da sieht´s ja aus wie in China... (Insider-Witz;-)
Viel Spaß noch da unten und grüß mir die Kumpel,
Grüße L.
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Re: Salzabbau in Hallstatt

Beitragvon ulfr » 28.09.2011 18:38

Die Speisekarten dort sind tatsächlich zweisprachig: Mandarin und Japanesisch :D
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Re: Salzabbau in Hallstatt

Beitragvon Manu » 30.09.2011 19:43

Sehr schöne Bilder, vielen Dank. Ich war dort zweimal bis jetzt in dem Besucherstollen und einmal durften wir zu einer Ausgrabungstelle. Ich neige zu Klaustrophobie (ein winziges bisschen) :doubt: und ich hatte echt Probleme dort zu sein. Auch war es recht dunkel, :cry: und ich hatte wirklich Angst. Danach bekamen wir im Stollen einen bronzezeitlichen Brei, in irgendeinem "Nebenzimmer" tief im Berg. Bohnen mit Hirse oder Hirse mit Bohnen, jedenfalls als der Koch sagte:" Und alles was man am Schwein nicht pökeln konnte, kam mit in den Brei, Schweineschwänzchen, Schweinefüsschen ..." stiegen die Vegetarier aus. Wie bleich sie waren, konnte ich allerdings nicht feststellen... :wut2:
Manu
 

Re: Salzabbau in Hallstatt

Beitragvon hugo » 01.04.2012 20:39

Es gibt eine neue Publikation zum Thema: :lure:
http://nhm-wien.academia.edu/KerstinKowarik/Papers
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
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