Weitere Schritte der Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter:
Für jeden, der sich mit den Fragen über die historischen Bearbeitungsmethoden von Kristallen auseinandersetzt, ist der hier besprochene Artikel im Kölner Domblatt 2006 - wie ich finde - sehr erhellend.
Bergkristall ist ein schwierig zu bearbeitendes und zu schleifendes Material, wie Mitglieder dieses Forums bestätigen können.
Die Steinschleifer des Mittelalters waren bereits wahre Experten auf diesem Gebiet und verfügten über eigene "Patentlösungen" Vorgehensweisen und Rezepturen, über die ich stellenweise staune. Zum einen, weil es sich um seltene Informationen handelt, zum anderen, weil in den Überlieferungen auch Methoden besprochen werden, die stark gesundheitsschädlich sein können (Umgang mit Blei).
Interessierten kann ich den besprochenen Artikel im Kölner Domblatt nur empfehlen. Der Artikel führt natürlich viel weiter aus, als ich das hier in einer kleinen Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte, die mich dabei im experimentalarchäologischen Sinne interessierten, weitergeben kann.
Die Autoren des hier besprochenen Artikels im Kölner Domblatt 2006 führen weiter aus:
Es wird vermittelt, dass Theophilus aufgrund seiner Beschreibung der Schleiferkunst wassergetriebene rotierende Schleifsteine nicht gekannt haben kann, Die Autoren geben an, dass diese erst seit dem Spätmittelalter im deutschsprachigen Raum bekannt waren [Kölner Domblatt, 2006,73].
EBAUCHIEREN
[inhaltliches gekürztes Zitat]
Laut Autoren wurden beim Ebauchieren die Oberflächen bereits zugerichteter Rohsteine (Bergkristalle) mit ihren flächendeckenden gratigen Abschlagsnegativen geglättet, wodurch Werkstücke weiter in die angestrebte Form gebracht wurden. Vorrangig wurden hierfür laut Angaben der Autoren rote und hellgraue Sandsteine mit gröberer und mittlerer Körnung verwendet (Sandsteinfragmente von bis zu 1,1 x 0,8 x 0,15 m wurden in der ehem. ausgegrabeneb Bergkristallwerkstatt gefunden. Die Autoren äußern ihre Vermutung, dass solche Handschleifsteine aufgrund ihres Gewichts fest auf Werkbänken installiert gewesen sein müssen. Als Herkunftsort der Sandsteine wird die Nordeifel spekuliert.
Bei Zugabe von Wasser und bislang nicht nachgewiesener Schleifzusätze seien die Kristalle laut Autoren geschliffen worden. Um dies zu ermöglichen, wäre es laut Autoren notwendig gewesen, die zu bearbeitenden und häufig sehr kleinen Kristallobjekte zu schäften, d.H. auf einen Stab aufzukitten, wie es noch heute gebräuchlich ist. Dieser Arbeitsschritt sei erforderlich, um ein zu schleifendes Objekt über einen Schleifstein führen zu können. Hierfür Verwendung gefunden haben könnten laut Annahme der Autoren Schäfte aus Holz, Tierknochen oder Geweih.
Die Autoren vermittlen keine eindeutige Kenntnis über den vermutlich in der ausgegrabenen Bergkristallwerkstatt damalig verwendeten Klebstoff, gehen aber aufgrund von entsprechend zahlreich gefundenen Resten einer schwarzen Masse an Tierknochen und anderen Kleinfunden wie z.B. Schleifsteinen von Holzpech aus, dass laut Autoren für eine Kittung von Bergkristall in Frage kommt. (Untersucht wurden die in der Werkstatt gefundenen Knochen laut Angaben der Autoren von Dr. Hubert Berke, Köln).
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,73,74]
Die Autoren lenken das Augenmerk auf ein Zitat des Theophilus, der zu diesem Thema überlieferte:
[Zitat]
Theophilus schreibt hierzu: "Nimm die Masse, die Tenax heißt [...], setze sie ans Feuer bis sie flüssig wird, und kitte (damit) den Kristall auf einen langen Stock, der ihm an Dicke ähnlich ist." Tenax wurde aus Wachs, Ziegelmehl, Pech und Wasser gemischt.
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,74]
Interessant wird es nun in dem Artikel, weil es um die Feinbearbeitung der zugerichteten und in Form geschliffenen Kristalle geht.
[inhaltliches Zitat]
Hierfür seien laut Autoren für den Feinschliff (entgültige Formgebung) vor allem feinkörnige Schleifsteine (hellgrauer Sandstein und Siltstein) zum Teil beidseitig verwendet worden. Das Format solcher Schleifsteine besaß laut der Autoren eine annähernd rechteckige Grundform bei Größen von ca. 0,2 x 0,2 x 0,05 m. Vermutlicher Bezugsort solcher Schleifsteine seien laut Autoren die Ardennen gewesen.
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75]
Polieren
[inhaltliches Zitat]
Laut Autoren wurden feingeschliffene Schmucksteine bei vermuteter Zugabe von Polierzusätzen poliert, d.H. solange bearbeitet, bis sie fein glänzten. Die Autoren vermuten, dass solche Bleiplatten in einem Holzbrett als stabile Unterlage eingelassen waren, was einer möglichen Verformung der Platten laut Autoren entgegengewirkt hätte.
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75,76]
Auch zu diesem interessanten Thema zitieren die Autoren Theophilus:
[Zitat]
In der Werkstattgrube wurde eine längliche Bleiplatte geborgen [...] wie Theophilus sie vergleichbar beschreibt: "Nimm dann [nach dem Schleifen] eine ebene Bleitafel, streue drauf feuchten Ziegelstein, den du mit Speichel auf einem harten Schleifstein zerrieben hast, und poliere darauf besagten Kristall, bis er Glanz annimmt".
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75,76]
(Wichtiger Hinweis: Achtung, große Gesundheitsgefahr bei solcher Verwendung von Blei! Bitte nicht nachmachen.)
Wikipedia-Quellen
Seite „Kristall“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. Februar 2022, 19:40 UTC. URL:
https://de.wikipedia.org/w/index.php?ti ... =219839325 (Abgerufen: 10. Juli 2022, 10:25 UTC)
Mit den experimentalarchäologisch tätigen ist es wie mit den künstlerisch tätigen: sie müssen AKTIV unterstützt werden. Ansonsten gilt für beide Gruppen wohlmöglich das gleiche wie für allmählich aussterbende Handwerke: es wird sie nicht mehr lange geben.