Ursprüngliche Mischungsverhältnisse von Schwarzpulver

Palaeozoologie, Palaeobotanik und alle archäologischen Hilfswissenschaften, sowie Methodendiskussionen innerhalb der Archäologie.

Ursprüngliche Mischungsverhältnisse von Schwarzpulver

Beitragvon Bullenwächter » 09.08.2022 19:06

Ursprünglich hier viewtopic.php?f=138&t=6667 gestartet:



Re: Anzahlen von Mischungsverhältnissen ermitteln

Beitragvon Bullenwächter » 04.08.2022 19:29
Das Greift genau in eine Fragestellung die ich zu Pulverresten aus Tongranaten aus dem 16./17. Jahrhundert habe.

https://www.franzkowiak.de/index.php/de ... naten.html

In den Granaten haben wir Reste der ehemaligen Ladung aus Schwarzpulver gefunden, von denen nach der mehrhundertjährigen Feuchtbodenlagerung augenscheinlich nur noch Holzkohle und Schwefel vorliegen, wie Brennproben an Pulverresten andeuten. Der Sallpeter wurde aus den Granaten ausgewaschen, bzw. von Pflanzenwurzeln aus den Granaten herausgezogen.

Aktuell bin ich auf der Suche nach Möglichkeiten der einer quantitativen Bestimmung von Schwefel und Holzkohle aus den vorliegenden Pulverresten, mit der Hoffnung, Hinweise auf die ursprüngliche Pulverrezeptur zu erhalten.

Die optimale Rezeptur entspricht 75 % (Gewicht) Salpeter, 10 % Schwefel und 15 % Holzkohle, diese wurde bereits im 15. Jh. angewandt, aber in historischen Rezepten finden sich zahlreiche Variationen, mit je nach Einsatzzweck oder Intention des Autoren (z.B. um sich unentbehrlich zu machen) in den Anteilen variieren.
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Re: Ursprüngliche Mischungsverhältnisse von Schwarzpulver

Beitragvon Bullenwächter » 09.08.2022 19:07

Benutzer Sculpteur antwortete darauf:

Sculpteur hat geschrieben:Hallo Bullenwächter,

gibt es eine Möglichkeit für Zugriff auf Referenzwerte für die Materialien mit denen Ihr arbeitet? D.H. Referenzwerte zu der Schüttungsdichte der Materialien (Verhältnis Volumen zu Gewicht)?
Falls nicht, gibt es eine Möglichkeit, Referenzmessungen durchzuführen (z.B. 10 Referenzmessungen mit unterschiedlichen gestaffelten Mischungsverhältnissen)?

Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, inwiefern sich die Schüttdichte der einzelnen Komponenten verhält im Verhältnis zu den miteinander verührten Komponenten (z.B. mögliches "Zusammensacken" einer Granatenfüllung).

Von großer Bedeutung für Deine Fragestellungen werden folgende Fragen sein, die daraus resultieren:

1: Wie hoch war der ursprüngliche Trockenheitsgrad der Materialien (Feuchtegrad) im Verhältnis zum Feuchtegrad bei Fundlage? Feuchtigkeit kann bei den Volumenverhältnissen eine Rolle gespielt haben (vorher/nachher). Dabei ist natürlich die Frage, unter welchen Bedingungen die Granaten hergestellt wurden.

2. Eine entscheidende Frage ist, ob die Füllungen der Granaten (im Verhältnis zum Innenvolumen der Keramikkörper) vollständig waren, oder die Tonkörper nicht vollständig aufgefüllt wurden.

3. Eine weitere gewichtige Frage behandelt die Art und Weise der Verfüllung: Wurde die Verfüllung loose eingeschüttet (Schüttdichte) oder verdichtet? Bei potenzieller Verdichtung müsste dann noch eine Datenerhebung zu den Dichtegraden im Vergleich ermittelt werden, weil in ein Gefäß ja mehr verdichtetes Material hineinpasst als unverdichtetes.

Ich denke, die wesentlichsten Argumente für Effektivität werden schließlich Abrrennproben und und Erprobungen des fertigen Produkts unter Laborbedingungen sein...

Da wir immerhin von Erprobungen von Sprengstoffen im wissenschaftlichen Sinne reden, ist die Frage, inwieweit wir dieses Thema hier im Forum (wegen des verbotenen Nachahmungseffekts) öffentlich weiter ausbreiten sollten.

Meine Anregung ist deshalb, dass wir dieses Thema gerne in einem separaten Thema im internen Bereich dieses Forums weiter besprechen.
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Re: Ursprüngliche Mischungsverhältnisse von Schwarzpulver

Beitragvon Bullenwächter » 09.08.2022 19:34

Hallo

Bedenken bezüglich der Verbreitung illegaler Informationen hier hege ich nicht, denn die Rezeptur von Schwarzpulver gehört weitgehend zum Allgemeinwissen und kann in Lexika, Schulbüchern und bei Wikipedia nachgelesen werden.

Zu den Feuchtegraden, den Füll- und Verdichtungsgraden können wir leider garnichts sagen, denn die Granten wurden in einer Notaktion notdürftig geborgen, ausgespült und eingelagert ohne genauer untersucht oder dokumentiert worden zu sein.

Historische Rezepte geben nicht her, zu welchem Grad die Kammern gefüllt das Pulver in der Granate verdichtet werden sollte. Die Pluverreste liegen als staubfeine Ablagerungen und teils als Klumpen in den Granaten vor. Sie geben keinen Hinweis auf deren Füllgrad da möglicherweise auch Reste des Pulvers beim Ausspülen in andere Granaten verlagert wurden. Wir haben lediglich eine einzige, bei denen die Chance besteht, dass dort noch eine unberührte Füllung vorliegen könnte, da das Mundloch bis oben mit Lehm gefüllt ist. Wir hoffen, dass sie nicht ausgespült wurde und Reste der unberührten Füllung unter dem eingedrungen Lehm vorliegen. Diese müsste im Labor "ausgegraben" oder eine minimalinvasive Probe gezogen werden, was trotzdem ein massiver, irreparabler Eingriff in die historische Substanz wäre. Hier sind wir och in Diskussion mit dem Museumsleiter.

Für uns wären folgende Details interessant:
- Die Anteile der vorliegenden Komponenten Schwefel und Holzkohle, und evlt. weitere
- Korngrößenverteilung von Schwefel und Holzkohle
- evtl. Holzartenbestimmung der Holzkohle

Ob sich aber die Untersuchung im Hinblick auf die historische Pulvermischung tatsächlich lohnt weiß ich nicht, da sich zu viele Variationen durch den unbekannten Salpeteranteil ergeben. Aber zumindest hätten wir Daten zu den zwei erhaltenen Komponenten. Eine weitere Unsicherheit kommt hinzu, da unklar ist ob Teile des Schwefels ebenfalls im Laufe der mehrhundertjährigen Bodenlagerung durch Mikroorganismen, Pflanzen oder durch chemische Prozesse reduziert wurden.
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Re: Ursprüngliche Mischungsverhältnisse von Schwarzpulver

Beitragvon Sculpteur » 09.08.2022 19:55

Hallo Bullenwächter,

Vielen Dank für die Informationen!
Ich sehe anhand der Fundlage gerade leider auch gar keine Möglichkeiten für eine weitere Vorgehensweise, weil in der Gleichung zu viele Parameter miteinander in Deckungsgleichheit gebracht werden müssen.
Unter diesen Voraussetzungen glaube ich auch nicht, dass sich die ursprüngliche Pulvermischung überhaupt verlässlich ermitteln lässt.
Allein die Zerkleinerungsgrade von Holzkohle (je nach Zerkleinerungsart und Holzart) können - je nach Holzart z.T. variieren...

Hier könnte zwar viel ausprobiert werden, aber es wäre niemals Im wissenschaftlichen Sinne aussagekräftig.

Die vorliegenden Berechnungen im Prozentbereich haben ja aufgezeigt, das sehr viele Mischungsverhältnisse in Frage kommen können.
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Re: Ursprüngliche Mischungsverhältnisse von Schwarzpulver

Beitragvon Bullenwächter » 10.08.2022 19:21

Das sehe ich ähnlich, zu viele Variablen und Unsicherheiten erschweren aussagekräftige Ergebnisse in Bezug auf die Pulverrezeptur.

Wir werden erst einmal versuchen die Korngrößen und die vorliegende Zusammensetzung bestimmen zu lassen - und falls es die Korngröße der Kohle hergeben sollte hoffen wir auf die Identifizierung der Holzarten.
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