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Die Proportionen der Cheopspyramide
Hypothese
Die alten Ägypter ermittelten die bautechnisch praktikabel einmessbaren Proportionen der Cheopspyramide mit einem simplen Seilspannstrick der eine proportionale Einmessung zwischen jeweiliger spezifischer Höhe zur Kantenlänge von Baukörperabschnitten und einzelnen zu verbauenden Steinblöcken von 2 : 3 Streckenlängeneinheiten ermöglichte. Bei Einmessung über die Pyramidenkante (Diagonale Einmessmethode, vgl. [Graefe]). Damit war den alten Ägyptern eine präzise Einmessung der finalen Bauform der Cheopspyramide praktikabel ohne jedwede dafür notwendige Rechenarbeit möglich. Kenntnis über die dafür ideale einzumessende Proportion erhielten die Alten Ägypter über das vorherige und ggf. tradierte systematische Durchprobieren von Proportionen unter Verwendung von Vermessungswerkzeugen aus z.B. Riemen, Schnur und Seil ggf. in Verbindung mit Lotgewichten sowie über die Auseinandersetzung mit geometrischen und arithmetischen Phänomenen.
EINLEITUNG
- Datierungen und Namensgebungen (sofern unkommentiert) nach von Becketrath -
E1. Die Proportionen altägyptischer Pyramiden
Die alten Ägypter erbauten während der sogenannten Pyramidenzeit (Altes Reich, 4. Dynastie, etwa 2639/2589 – 2504/2454 v. Chr.) monumentale Pyramiden aus Stein im Stile „geometrischer Pyramiden“. Altägyptische Pyramiden dieser Kategorie (und deren Überreste) weisen unterschiedlichste Abmessungen und daraus resultierende Proportionen und Neigungswinkel auf. Bestimmte Pyramidenneigungen verbauten die Alten Ägypter häufiger [Stadelmann, 1997].
E2. Die altägyptische Pyramidenzeit
Es existieren zahlreiche chronologische Einordnungen verschiedener Autoren der Zeitverläufe des Alten Ägypten. Stadelmann bezeichnet den Zeitabschnitt der 4. Dynastie (2630 – 2475 v. Chr.) als Pyramidenzeit [Stadelmann, 1990,75]. Von Beckerath grenzt die 4. Dynastie auf etwa 2639/2589 – 2504/2454 v. Chr. ein [Beckerath, 1997,187]. Müller-Römer verwendet den Begriff „Pyramidenzeit“ nicht explizit und grenzt die Zeit des altägyptischen Monumentalpyramidenbaus auf die 3. bis 6. Dynastie ein, die in einer Veröffentlichung von Müller-Römer zunächst auf einen Zeitraum von etwa 400 Jahren festgelegt wurde [Müller-Römer, 2007,16] und von Müller-Römer in einer späteren Veröffentlichung schließlich auf einen Zeitraum von etwa 470 Jahren Dauer korrigiert wurde [Müller-Römer, 2001,35].
Da die Datierung von Ereignissen und Zeitabschnitten in der Ägyptologie von Autor zu Autor abweichen kann, eignet sich nach Ansicht des Verfassers die Einordnung von Müller-Römer nach Auftreten der Erbauer von Pyramiden als alternativ umschreibender Marker für die Eingrenzung der altägyptischen Pyramidenzeit (nach Müller-Römer: Djoser bis Pepi II. Djoser {Tosorthros, Hor Netri-chet} regierte während der 3. Dynastie; Altes Reich von etwa - 2690/2640 - 2670/2620 v. Chr.; Pepi II {Phiops, Nefer-ka-rê} regierte während der 6. Dynastie von etwa 2279/2229 - 2219/2169 v. Chr.).
E3. Steinerne Pyramiden des Alten Reichs
Aus den Steinpyramidenbauten des Alten Reichs lassen sich unterschiedliche Bauformen und Bauweisen ablesen. Über manche Bauweisen (z.B. die der Cheopspyramide) wird noch heute intensiv diskutiert. [Müller-Römer, 2011] gibt einen Überblick über die im Alten Reich angewendeten (und teilweise vermuteten) Bauweisen für Steinpyramiden.
Stadelmann verwendet den Begriff der "geometrischen Pyramide" offensichtlich für Pyramiden mit einer Bauausführung, die einen Pyramidenbaukörper mit allseits geglätteten Flächen vorsieht [Stadelmann, 1997].
Zu den verschiedenen, von den Alten Ägyptern angewendeten Pyramidenbauweisen und verbauten Pyramidenneigungen siehe weiterführend z.B. [Lauer, 1988,270 - 271]; Stadelmann, 1997 ...]; [Arnold, 1994,200]; Lehner, 2004,16 u. 17]; [Janosi, 2010,37-57]; [Lehner/Hawass, 2017,403 - 419] und im Speziellen im Hinblick auf von den Alten Ägyptern verbaute Pyramidenneigungen [Müller-Römer, PDF6,9 u. 10]).
Nach Stadelmann ist die sog. Knickpyramide von Dahschur die erste geplante geometrische Pyramide der Alten Ägypter. Bauherr der Knickpyramide war Senofru {Soris}; 4. Dynastie (2639/2589 – 2604/2554); häufig auch Snofru genannt [Stadelmann, 1997].
Laut Stadelmann scheint es aufgrund der eingehenden Untersuchungen Maragioglio´s und Rinaldi´s nicht ausgeschlossen, dass sich in der Knickpyramide von Meidum zwei verschiedene, in der altägyptischen Baugeschichte aufeinanderfolgende Bauweisen (Übergang von der steilen Stufenpyramide zur reinen geometrischen Form) in einem kühnen Schritt der Bauausführung vereinen [Stadelmann, 1997]. Einige Autoren sehen in der Form der Knickpyramide (rhomboidale Pyramide) das Resultat schwerwiegender Baufehler, deren Auswirkungen auf das Bauwerk die Alten Ägypter durch die ungewöhnliche Formgebung der Knickpyramide zu retten suchten (siehe z.B. [Stadelmann, 1997]).
E4. Die Spezifika der Altägyptischen Königselle
Lepsius legte die durchschnittliche Länge der Altägyptischen Königselle als einem von den Alten Ägyptern angewendetem Grundmaß auf eine Länge von etwa 52,5 cm fest. Diese Länge (als Mittelwert) leitete er aus den verschiedenen Quellen seiner Zeit ab. Quellen, auf die Lepsius sich damit bezog, waren u.a. die Abmessungen altägyptischer Messstäbe, sowie Abmessungen von Schächten und Kammern im Innern und im Umfeld von altägyptischen Pyramiden sowie von Sarkophagen [Lepsius, 1856].
So wie bereits Lepsius geht die Ägyptologie heute gemeinhin von einer Länge der Altägyptischen Königselle von 7 Schesep zu je 4 djeba bei einer ungefähren Länge von 52,5 cm (als Mittelwert) aus (meh, altägypt. „...“ für „...“) in 7 Schesep (…, altägypt. für „Handbreiten“) zu je 4 Djeb (… altägypt. für „Fingerbreiten ...“). 1 Djeba entsprach damit bei einer gemittelten Länge von 0,525 m für eine Altägyptische Königselle etwa 1,875 cm. Daraus ergibt sich die Länge einer Altägyptischen Königselle von 28 Djeba [...].
Lepsius untersuchte zahlreiche altägyptische Messstäbe mit der ungefähren Länge von 52,5 cm. Die Längen der Messstäbe wichen teilweise nur geringfügig voneinander ab [...]. 1 Djeba konnte bei den von Lepsius untersuchten Ellentypen unterschiedlichste weitere Grundeinteilungen aufweisen, die bis in den Bereich von unter einem Millimeter reichten [...]
Die Verarbeitungsqualität der von Lepsius untersuchten Messstäbe war stark unterschiedlich. Aufgrund der handwerklich teilweise sehr ungenauen Unterteilung mancher Messstäbe folgerte Lepsius, dass es sich bei diesen nicht um tatsächlich für Vermessungsaufgaben verwendete Messwerkzeuge, sondern um Devotionalgenstände handelte [...]. Interessanterweise ging Lepsius von der Existenz einer ursprünglichen altägyptischen, in 6 Schesep (bei Lepsius sog. Palmen) eingeteilten Elle aus, aus der heraus sich die spätere "große Elle" (altägyptische Königselle) mit 7 Schesep entwickelte [...]. Dieser Zusammenhang ist besonders erwähnenswert weil er sich auf die Proportionen der Cheprenpyramide auf dem Plateau von Giseh anwenden lässt (siehe Berechnungsanhang [A...]).
E5. Flinders Vermessung des Plateaus von Giseh
Flinders brach 1880 voll Ungeduld nach Ägypten auf und begann mit seiner aufwändigen Vermessung des Plateaus von Giseh [...] über die er in seinem 1883 veröffentlichten Werk The Pyramids and Temples of Gizeh veröffentlichte [Stadelmann, 1997,87]. Flinders Vermessungen des Plateaus von Giseh waren so exakt und gut dokumentiert, dass die von Flinders auf dem Plateau ermittelten Messdaten (neben geringfügig erfolgten neuzeitlichen Korrekturen) noch heute Verwendung finden (vgl. z.B. [Stadelmann, 1997,87]).
Flinders erzielte seine enorm exakten Vermessungsergebnisse mit der Unterstützung eines einzelnen Gehilfen und teilweise selbst gebautem Equipment [...]. Flinders vermaß unterschiedlichste Dimensionen des Plateaus und der auf dem Plateau befindlichen Bauwerke und z.T. auch kleinste Bauglieder und Bauteile. Für die Länge der Altägyptischen Königselle ermittelte Flinders so einen gemittelten Wert von 52,36 cm (dieser Wert in Zentimetern resultiert rechnerisch aus Flinders Angaben in Inch) [Flinders, E2].
Die Proportionen der Cheopspyramide
1. Kontroverse Diskussionen über die Proportionen altägyptischer Pyramiden
Die Proportionen altägyptischer Pyramiden sind bis heute häufig Anlass zu mannigfaltigen, teilweise sehr obskuren Theorien und ausufernden Diskussionen. Dabei wurden manche Theorien widerlegt oder wurden von vielen Ägyptologen sogar als untragbar abgelehnt (siehe hierzu z.B. die Veröffentlichungen von Friedrich Wilhelm Korff [Korff, B9; B10] sowie zu den Diskussionen über Korff´s Theorien [Müller-Römer, PDF6; PDF9] und auch Erwiederungen Korff´s [Korff, PDF2]).
Heute einen vollständigen Überblick über sämtliche zu den altägyptischen Pyramiden, deren Bauweisen und Hintergründen sowie insbesondere zu den Pyramiden von Giseh zu erhalten ist im Zeitalter heutiger individualisierter Veröffentlichungen auf unterschiedlichsten medialen Wegen nahezu unmöglich geworden.
1.1 Fehlinterpretationen über Proportionen altägyptischer Pyramiden
Aus manchen Theorien zum Bauprinzip altägyptischer Pyramiden ist abzulesen, dass die Grundlagen der bautechnischen und bautenplanerischen Errungenschaften der alten Ägypter - zu denen auch die altägyptische Mathematik gehört - häufig falsch interpretiert, teilweise ignoriert oder auch überinterpretiert werden (siehe z.B. [Korff, B9; B10]). Korff´s Theorien werden dabei von der Ägyptologie weitestgehend abgelehnt.
2. Bautechnische Forschung über das alte Ägypten
Bautechnische Forschung im Diskussionsfeld altes Ägypten (siehe z.B. [Müller-Römer, 2011] [Winkler, 2001]) kann im wissenschaftlichen Sinne nur dort ansetzen, wo wir mit den Mitteln und Methoden arbeiten, die den alten Ägypter nachweislich zur Verfügung standen: In Bezug auf z.B. die altägyptische Vermessungstechnik stehen uns heute jedoch wenige konkrete Überlieferungen zu dieser Thematik zur Verfügung. Deshalb findet in der Ägyptologie ein andauernder Diskurs über Fragestellungen zu Bautechniken, Handwerkstechniken und Innovationen (z.B. im Bereich der Vermessungstechnik und Mathematik sowie der Erforschung altägyptischer Grundmaßsysteme) der alten Ägypter statt.
Die seriös forschende Auseinandersetzung mit altägyptischen Bauwerken (und z.B. ihren Proportionen) erfordert notwendigerweise einen Zugang zu altägyptischer Mathematik und zu daraus resultierender spezifischer Proportionslehre (siehe z.B. auch Rhind Paphyrus; im speziellen [Robins/Shute, 1987]), siehe [Cantor, 1907] im Hinblick auf die allgemeine Entstehung der frühen Mathematik und z.B. [Müller-Römer, PDF/2016] zusammenfassend über altägyptische Mathematik). Auch konkrete Einblicke in die Baupraxis sowie den handwerklichen und kunsthandwerklichen Umgang mit den Werkstoffen Lehm und Stein - und somit eine insgesamt experimentalarchäologische Auseinandersetzung mit der Gesamthematik sind hilfreich.
3. Alternative Theorien zu den Proportionen altägyptischer Pyramiden
In die Proportionen der Cheopspyramide auf dem Platteau von Giseh in Ägypten z.B. wurde bis heute vielfältiges (und aus wissenschaftlicher Sichtweise häufig unhaltbares) hinein interpretiert. Manche alternativen Theorien halten sich dabei offensichtlich hartnäckig (siehe hierzu im Allgemeinen die Radosophie insgesamt sowie Verortungen der Radosophie im ägyptologischen und fachwissenschaftlichen Kontext; vgl. z.B. etwa [Janosi, 2010]; [Lehner, 1977]; [Tyldesley, 2006]; [Tompkins, 1973]; Korff, 2008 u. 2015]). Über alternative Sichtweisen zu Sinn und Zweck der Pyramiden des alten Ägyptens berichten kritisch z.B. [Janosi, B8] [Lauer, B12] [Tompkins, B33]. [Sasse/Haase, B28] hingegen bereiten das Thema Erforschung altägyptischer Pyramiden und altägyptischer Handwerkskunst eher populärwissenschaftlich auf. Sasse und Haase erlauben sich in ihrem Werk Kritik an fehlender Interdisziplinarität in der modernen ägyptologischen Forschung und thematisieren damit einen wichtigen Diskussionspunkt für die moderne ägyptologische Forschung. Ihre Kritik erlauben Sasse und Haase sich zuvorderst auch im Hinblick auf die Bautenforschung an der Cheops-Pyramide und das gescheiterte (medial massenspektakelmäßig aufbereitete) UPUAUT-2-Projekt des Nicht-Ägyptologen Rudolf Gantenbrink [Sasse/Haase, 1997]).
4. Zugang zu Fragestellungen über die Proportionen altägyptischer Pyramiden
Bereits ein oberflächlicher Überblick über die altägyptische Vermessungstechnik und die bestehenden gängigen (fachwissenschaftlich diskutierten) Theorien (siehe hierzu z.B. [Müller-Römer, 2011]) zeigt, wie wir uns den Fragestellungen zu den Proportionen altägyptischer Pyramiden auch im Hinblick auf experimentalarchäologischen Anspruch nähern können:
Jedes antike Bauwerk einer gewissen bautechnischen Komplexitätsstufe bedurfte (sehr wahrscheinlich) einer gewissen bautechnischen Planung im Vorfeld. Im Hinblick auf z.B. die Cheopspyramide dürfte das zumindestens eine grundlegende Auseinandersetzung über ihre Proportionen - im Sinne einer umzusetzenden gesamtgestalterischen und damit architektonischen Vision - gewesen sein (siehe zu generellen Informationen über die Cheops-Pyramide z.B. [Stadelmann, 1990, 1997] [Lehner, 1997 u. 2004] (überarb. Neuauflage von B14 unter anderem Titel und Verlag)] [Lehner/Hawass, 2017], [Goyon, 1990 ] [Janosi, 2010].
5. Graefe´s Kritik an manchen Erkenntnissen zur altägyptischen Vermessungstechnik
Graefe argumentiert dahingehend, dass von einer Eindeutigkeit der Bautenplanung im Vorfeld altägyptischer Pyramiden nicht unbedingt ausgegangen werden muss [Graefe, PDF,….]: In Feldversuchen haben Graefe und sein Team ermittelt, dass sich die Neigungswinkel mehrerer altägyptischer Pyramiden relativ exakt über die Einmessung einer Winkelung von 45° (bei einer einfach einzumessenden Proportion von 1 : 1 einzumessender Höhe zur Breite also) über die Kanten im Bauprozess befindlicher altägyptischer Pyramiden (bzw. Pyramidenbaustufen nach dem Prinzip aufeinanderfolgender Schalungen) hätten ergeben können.
Graefes Argument kann durchaus als stichhaltig angesehen werden, weil sich; wie Graefe im Kontext seiner Ausführungen anführt; die Bausubstanzen vieler altägyptischer Pyramiden sich insgesamt in einem sehr schlechten Zustand befinden und an einigen altägyptischen Pyramiden und deren Überresten eine schalenartige Bauweise aufeinanderfolgender Baustufen zu beobachten ist, die in aufeinanderfolgenden Bauprozessen allmählich erweitert wurde.
In der Gesamtwentwicklung der altägyptischen Pyramidenbaukunst ist angesichts des uns heute vorliegenden Wissens über abweichende Pyramidenbauweisen der alten Ägypter insgesamt ein innovatives experimentelles, auf Trial and Error ausgelegtes allmähliches Vortasten entlang schließlich gut funktionierender bautentechnischer Gesamtkonzepte abzulesen (siehe hierzu insbesondere auch [Goyon, 1990] [Stadelmann, 1990 u. 1997] [Lehner, 2004] [Lehner/Hawass, 2017]).
5.1 Einmessung sich allmählich entwickelnder Pyramidenbauweisen
Die allmähliche Entwicklung von Pyramidenbauweisen im alten Ägypten verlief über große Zeiträume. Nach Stadelmann entwickelte sich die Idee, Grabanlagen pyramidenförmig monumental zu überbauen im alten Ägypten ausgehend von der ursprünglich überbauten Mastaba (Snofru) und die monumentalen Stufenpyramiden aus Lehmziegeln (Adoben) in z.B. Sakkara hin zu den schließlich mit glatten Seiten versehenen monumentalen steinernen Pyramiden des Alten Reichs (z.B. Dahschur und Giseh) [Stadelmann, 1997].
Solche allmählichen bautechnischen altägyptischen Entwicklungsprozesse enbehrten dabei vermutlich auch nicht entsprechender Rückschläge. Solche Rückschläge, wie sie vermutlich an der Knick-Pyramide von Dashur mit ihren zwei verschiedenen Baustufen mit verschiedenen Neigungswinkeln abzulesen sind (worüber vielfach Einigkeit unter Ägyptologen herrscht; siehe z.B. [Stadelmann, 1997] [Winkler, DISS. 2001]), wären damit Triebfeder für eine allmählich angepasste gut funktionierende Pyramidenbauweise der alten Ägypter gewesen.
5.2 Potenziell statisch bedingt angepasste Bauweise bei der Knick-Pyramide von Dahschur
Bei der Knickpyramide von Dahschur mit ihren zwei unterschiedlichen Neigungswinkeln [Stadelman, 1997] geht die Ägyptologie - insbesondere aufgrund statischer Schäden an der Pyramide - davon aus, das die alten Ägypter den ursprünglichen Neigungswinkel der Pyramide von ...° zu steil angesetzt haben - was zu einer zu großen Auflast von Baumasse führte. Deshalb waren die alten Ägypter nach gängiger Theorie schließlich gezwungen, den Neigungswinkel im Bauprozess aufgrund statischer Probleme abzuändern (siehe z.B. [Stadelmann, 1997, 95] [Winkler, DISS. 2001, ...]).
Möglicherweise begegnet uns deshalb schließlich mit den altägyptischen Kleinpyramiden (Meroe-Nekropole) [Hinkel, 2002] eine ursprünglichere gestalterische Vision der alten Ägypter für den Pyramidenbau in Form von sehr steil aufragenden spitzwinkligen Pyramidenbauten, wenn wir diese Bauweise von den Proportionen her mit der unteren Baustufe mit steilem Neigungswinkel der Knickpyramide vergleichen.
5.3 Graefe´s Argument der schalenartigen Bauweisen von altägyptischen Pyramiden
Hauptsächlich bezieht sich Graefe [Graefe, PDF, ...] mit seinen Überlegungen, die eine starke Ablehnung des Seked-Konzepts für das alte Ägypten ablesen lassen, auf die Tatsache, dass sich an einigen altägyptischen Pyramiden und deren Überresten schalenartige Bauweisen mit schräg angelegten Bauteilen finden lassen, die darauf hindeuten, dass Bauwerke (siehe auch ursprüngliche Mastaba des Snofru [Stadelmann, 1997]) allmählich (Schicht um Schicht) erweitert wurden (siehe z.B. auch Stadelmann über die Knickpyramide in Dahschur-Süd [Stadelmann, 1997, Tafeltext zu Tafel 26]).
Die Gründe für solche altägyptischen Bauweisen werden in der Ägyptologie vielfältig diskutiert (siehe z.B. [Winkler, DISS., 2001]).
Nach Graefe wäre es demnach aufgrund dieser Bauweisen nicht von vorneherein für die ursprüngliche Bautenplanung der alten Ägypter ersichtlich gewesen, welche Ausmaße bei additiver Bautechnik eine fertiggestellte Pyramide der alten Ägypter nach potenziellen diversen Bauphasen schließlich hätte annehmen können.
Auf dieser Grundlage nimmt Graefe demnach möglicherweise wohl an, dass die alten Ägypter also gar keine generellen ursprünglichen Gestaltungsvisionen für Monumentalpyramiden entwickelten, weshalb auch ein Einmessen über den in der Ägyptologie vieldiskutierten Seked im Grunde überflüssig gewesen sei [...].
Nach Graefe hätten sich Bauwerksabmessungen an altägyptischen Pyramiden demnach
dadurch ergeben, dass aufeinanderfolgende Bauschichten von Pyramiden von den alten Ägyptern teilweise und Baustufe für Baustufe über lange Zeiträume additiv allmählich erweiternd fertiggestellt wurden, wodurch sich schließlich daraus resümierende Gesamtabmessungen (und Proportionen) der Pyramiden ergeben hätten.
Damit zielen Graefe´s Argumente auf die ursprüngliche mögliche, nicht vollständig und von vorneherein bestehende Planbarkeit eines schließlich tatsächlich vollendeten Monumentalbaus im alten Ägypten ab.
Die Sinnhaftigkeit von allmählich erweiterten Monumenten der Sepukralkultur passt vorstellbar gut zu den jeweils nicht abzuschätzenden Regierungszeiten altägyptischer Herrscher, wenn davon ausgegangen werden soll, dass es Hauptziel altägyptischer Pyramidenbauprojekte war, einem jeweiligen Pyramidenkomplex zugehörige Pyramidenbauten rechtzeitig fertigzustellen [...Janosi]. Untermauerung findet diese Annahme darin, dass wir heute an altägyptischen Pyramidenbauwerken Merkmale einer überhastet wirkenden Fertigstellung bzw. eine plötzliche Einstellung der Bauarbeiten ablesen können (siehe Mykerinos-Pyramide auf dem Plateau von Giseh) [...Müller-Römer].
Graefe´s Argumente werden unter diesem bautechnischen Fokus grundlegend interessant, können allerdings vermessungstechnisch relativiert werden. Wir wissen aus der Geschichte der Entwicklung der Baukunst, dass Baumodell und Bauentwurf eine sehr lange Tradition mit sich bringen […, Hecht]. Auch von den alten Ägyptern kann angenommen werden, dass sie Modellentwürfe für zu erbauende Bauwerke (und Areale) anfertigten (vgl. gestalterische Bauplanung von Bauwerksteilen; etwa … sowie figürlicher Gresamtproportionskanon, vgl. Bammes, Robins]). Die Frage der schließlichen Realisierbarkeit einer bautechnischen Vision ist aus architektonischer und bauhandwerklicher Sichtweise grundsätzlich von der schließlichen tatsächlichen Realisierung eines Bauvorhabens zu trennen). So könnten die Pyramidien altägyptischer Pyramiden nach Ansicht Winklers [Winkler, DISS. 2001] Modellvorlagen für schließlich auszuführende Pyramidenbauten gewesen sein.
Markant an erhaltenen altägyptischen Pyramidien ist, das sich aus diesen laut Winkler Proportionsverhältnisse einer zugehörigen Pyramide (im quasi verkleinerten modellhaften Maßstab) ablesen lassen, die auch für die schließlich zu erbauenden Großbauten galten. Damit wären (nach Winkler [Winkler, DISS. 2001]) altägyptische Pyramidien (bei wechselnden, proportional vergrößernden Grundmaßen) quasi Modellvorentwürfe für zu erbauende Pyramiden gewesen ([siehe hierzu über Winklers Theorie auch z.B. [Müller-Römer, 2011]).
5.4 Additive Bauweise wiederspricht nicht einer geplanten Baueinmessung im alten Ägypten
Eine durchdachte Bautenplanung, die von vorneherein mit mehreren (berechenbaren und planbaren) Optionen spielt ist selbst für sich allmählich entwickelndes Baumeistertum im Altertum keine abwegige Annahme und wäre demnach auch für das ablesbar bautechnisch über große Zeiträume experimentell agierende alte Ägypten vorstellbar gewesen.
Mögen es Baukosten, Materialbeschaffungsfragen, statische Fragen, sich verändernder Baustil oder Zeitgründe gewesen sein, die zu einem Prinzip der aufeinanderfolgenden Bauweise von jeweils repräsentativ fertiggestellten Pyramiden-Baustufen im alten Ägypten geführt haben könnten, in denen schalenartig schräg anliegende Bauschichten aufeinanderfolgend verbaut wurden:
solchen Bautechniken widerspricht die exakt mögliche Einmessung der jeweils äußersten (repräsentativen) Schicht einer Pyramide über den Seked nicht zwangsläufig.
Auch weil für altägyptische Pyramiden keine überlieferten Baupläne vorliegen resultiert daraus nicht zwangsläufig die Annahme, dass altägyptische Baumeister keine ursprünglichen Gestaltungsvisionen von Pyramiden entwickelten und dabei nicht auch einzumessendes Gesamtareal in das Blickfeld ihrer Aufmerksamkeit von vorneherein mit einbezogen. Vielmehr entsprechen solche Vorgehensweisen auch heute herkömmlicher gestalterischer Praxis im Bereich des Erbauens und Bebauens von Arealen und damit der architektonischen Planung im Allgemeinen.
5.5 Gestalterische und handwerkstechnische Relativierung von Graefe´s Annahmen
Graefes auf den bautechnischen Pragmatismus ausgerichtetes Hauptargument, dass ein Einmessen von Pyramidenbaustufen durch die alten Ägypter über die Diagonale eines Pyramidengrundrisses mit einem Steigungsverhältnis von 1 : 1 Strecken, für die alten Ägypter einfacher zu praktizieren gewesen wäre als ein (nach Graefe) komplexeres Einmessen über den Seked kann mit einfachen handwerklichen, kunsthandwerklichen und gestalterischen Argumenten wiederlegt werden, die sich experimentalarchäologisch und mathematisch begründen lassen.
5.6 Die alten Ägypter als versierte Gestalter
Die alten Ägypter waren versierte Gestalter. Ihre verwendeten Werkzeuge, Instrumentarien und Methoden auch im Bereich der Vermessungstechnik und proportionierenden Gestaltung entwickelten sie vermutlich über viele Jahrtausende hinweg und in Übereinkunft mit der von ihnen angewendeten speziellen Mathematik (siehe z.B. [Aufs.1, 1978] [Emilius, Aufs., 1910] [Gandz, Aufs., 1930] [Moosbrugger-Leu, A6] [Arnold, 1994] [Lepsius, 1865] [Goyon, 1990] [Lehner 2004] [Lehner/Hawass, 2017] [Lehmann, 1994] [Minow, 1996] [Müller-Römer, 2011] [Pfeiffer, 1986; Bd. I u.II] [Robins/Shute, 1987] [Robins, 1994] [Roik, 1993] [Rooney, 2016] [Stadelmann, 1990;1997] [Winkler, Diss. 2001] [Flinders, Eb., 2020].
Die Anwendung des Einmessens mit Seil und Schnur im alten Ägypten, ebenso die in Verbindung damit stehende Grundeinteilung altägyptischer Längenmaße wie die der alten ägyptischen Königselle (siehe [Lepsius 1865]), und des Remens (Pygon; siehe [Roik, 1993]) führen in der Detailanalyse und im Vergleich mit verschiedenen Maßwertzusammenhängen, die an altägyptischen Pyramiden ablesbar sind zu der Annahme, dass die intellektuelle innovative Leistung der alten Ägypter, ein Seked-System zur Einmessung z.B. von Pyramiden verwendet zu haben, vom Innovationsniveau her nicht abwegig ist (siehe zum Seked und zur Stammbruchrechnung der alten Ägypter z.B. [Cantor, 1907] [Lepsius, 1865] [Robins/Shute, 1987] [Müller-Römer, PDF 2016]). Diese Annahme lässt sich insbesondere untermauern bei Betrachtung der reichhaltigen fachpraktischen Möglichkeiten handwerklicher Vorgehensweisen in derVermessung mit Schnur, Seil, Zirkel und Richtscheit (bzw. Lineal) (vgl. z.B. das Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk insgesamt u. z.B. [Hecht, 1997] im Übereinklang mit arithmetischen Grundlagen, die sich z.B. in der von den alten Ägyptern verwendeten Stammbruchrechnung und der Verwendung bestimmter (arithmetisch markanter) Proportionen äußern. Hierbei kann auch z.B. die (noch diskutierte und ohne relevante Überlieferungen vermutlich nicht abschließend klärbare) hypothetische Konstruktion eines Rechten Winkels durch die alten Ägypter über das summarische Tripel 3 : 4 : 5 und hypothetisch andere summarische Tripel argumentativ herangezogen werden (siehe zum Vergleich auch die Proportionen der Cheopspyramide; vgl. Berechnungsanhang [...]). Solche besonderen arithmetischen ganzzahligen Zahlenkonstellationen werden gemeinhin als sog. pythagoreische Tripel (genauer: sog. primitive pythagoreische Tripel) bezeichnet obwohl sich bereits seit längerem abzeichnet, dass die zugrunde liegenden arithmetischen Phänome weit vor Pythagoras und auch im alten Ägypten bekannt gewesen sein müssen [Maor, 2007]).
5.7 Die gestalterische Übertragung von Proportionen auf altägyptische Vermessungstechnik
Es ist davon auszugehen dass Proportionen (und damit einhergehend allgemeinere Proportionslehre) zum Tagesgeschäft auch altägyptischer Gestalter gehörten. Der Zugang zu grundlegenden (arithmetisch markanten) Proportionen ergibt sich aus relativ einfach zu entdeckenden arithmetischen Grundlagen, also aus der grundlegenden Auseinandersetzung mit den strukturbildenden Eigenschaften der Mathematik; genauer: z.B. der heute sog. natürlichen Zahlen (siehe z.B. [Cantor, 1907] [Crilly, 2009,8-19] [Maor, 2007]). Komplettiert werden können solche Einblicke durch die handwerklichen und kunsthandwerklichen Einmessmöglichkeiten etwa mit Seil und Schnur – und mit damit in Verbindung stehenden möglichen „Einmesstricks“. Manche Zusammenhänge können sich dabei in der Historie des Vermessens und Einmessens beinahe von selbst in Form von Synergien (bei der Ausübung andersartiger Tätigkeiten), sowie durch „Geistesblitze“ oder Zufällen ergeben haben. So geben etwa tradierter und zwangsläufig sich ergebender handwerklicher und kunsthandwerklicher Umgang mit Materialien wie Riemen, Schnur und Seil (siehe z.B. Nähen, Falten, Zusammenlegen, Aufrollen, Aufwickeln etc.) viele Möglichkeiten für den einmesstechnischen Umgang mit solchen Vermessungswerkzeugen beinahe von selbst vor. Hierzu ein Beispiel: wird eine Vermessungsschnur nicht ordentlich zusammengelegt, kann sie sich bei späterem Gebrauch verheddern. Das Abmessen und Maßnehmen über körpereigene Proportionen ergibt sich im alltäglichen Umgang mit Messwerkzeugen etwa aus Riemen, Schnur und Seil stellenweise von selbst, etwa wenn ein Vermessungsseil zum Aufrollen um Schulter und Ellenbogen geschlagen und so zusammengelegt wird, wobei spezifische Körperabmessungen quasi aud Riemen, Seil, Schnur übertragen werden können.
Viele der vielfältigen messtechnischen Möglichkeiten des Umgangs mit Riemen, Schnur und Seil ermöglichen dabei grundlegende Einblicke in die "arithmetischen Verbindungen" der natürlichen Zahlen untereinander.
Ein gutes Beispiel für die Anwendung solchen mathematischen Grundlagenwissens der alten Ägypter ist die Vermessungsschnur (bzw. auch als dünnes Vermessungsseil oder Lederriemen möglich) der altägyptischen Schnur- und Seilvermesser in ihren theoretisch möglichen Variationen und streckentechnischen proportionalen Übertragungen; dabei ganz unabhängig von der Frage wieviele abgeknotete gleichlange Teilstrecken sich auf einer Schnur befunden hätten. Allein die Existenz von auf z.B. Messschnur vorgenommenen Teilstreckenabtragungen kann als Indiz von intensiverer arithmetischer Auseinandersetzung gedeutet werden (vgl. z.B. [Gandz, Aufs. 1930] [...] [Müller-Römer, PDF, 2016).
5.8 Alternative Einmessmethoden zur Erzeugung der Proportionen der Cheops-Pyramide
Die Bezugnahmen auf das Einmesskonzept über den Seked als generalisierte Methode für das in Frage kommende Einmessen altägyptischer Pyramidenbauten wird aus handwerklicher, kunsthandwerklicher und damit auch messtechnischer Sicht überbewertet. Auch ist eine in der Baukunst der alten Ägypter angeblich bewusst vorgenommene gestalterische Anwendung des sog. Goldenen Schnitts (…[…] auf die Gestaltung der Cheopspyramide als Baukörper sogar abzulehnen.
Grund hierfür ist die grundlegend einfache Möglichkeit, den Baukörper der Cheopspyramide einmessungstechnisch ausreichend exakt zu imitieren, indem ein einfacher Seilspanntrick zur Anwendung kommt, der auf jedwede Rechenarbeit verzichtet und auch keinerlei Kenntnis über den Goldenen Shcnitt erfordert: hierfür wird lediglich die jeweilige spezifische Höhe einer zu verbauenden Steinblockschichthöhe - bei Einmessung über die jeweils spezifische Kantenlänge (also eine diagonale Ecken-Einmessmethode wie grundlegend bei Graefe [...]) – ermittelt, anschließend streckentechnisch halbiert und nachfolgend verdreifacht. Diese Vorgehensweise ist durch einfaches exaktes Zusammenlegen von Messwerkzeugen aus Riemen, Schnur oder Seil möglich und erfordert dabei auch keinerlei festgelegte streckentechnische Grundeinheit (wie z.B. meh, schesep, djeba (vgl. [Lepsius, 1865]).
Es kann aufgrund der vorgenannten Argumente für sämtliche Spekulationen über den Ursprung und Sinn der Proportionen der Cheopspyramide sowie der Pyramidenabmessungen also nach zwei wesentlichen Gesichtspunkten neu bewertet werden während zeitgleich jedwede anderslautende Spekulation nach dem Ockham´schen Sparsamkeitsprinzip ignoriert werden kann und demnach sogar abgelehnt werden muss, solange keine weiterführenden Originalquellen zum Thema entdeckt werden:
I.: die Proportionen der Cheops-Pyramide können sich planungstechnisch und einmesstechnisch aus dem simplen Proportionszusammenhang von 2 : 3 Streckenlängen die über die Kanten eingemessen wurden ergeben haben.
II: die Einmessmethode stellt eine adaptierte (erweiterte) Methode von Graefe´s Annahme des Einmessens eines Pyramidenbaukörpers über die Kante in den Eckbereichen einer Pyramide dar und ist damit aus handwerklicher bzw. kunsthandwerklicher Sicht als pragmatisch und als mit einfachsten Mitteln technisch durchführbar zu werten.
Ob und inwiefern die oben getätigten Feststellungen konkretere ableitbare Annahmen zu von den alten Ägyptern potenziell angewendeten Bautechniken zur Errichtung von Pyramidenbaukörper ermöglichen, bedarf weitergehenderer Erforschung.
Sämtliche Theorien, die versuchen, die Chopspyramide als Bauwerk und die Abmessungen und Proportionen der Cheopspyramide in Verbindung mit dem spätestens seit der griechischen Antike tradierten Proportionsprinzip des sog. Goldenen Schnitts (vgl. […]) in Verbindung zu bringen, sind damit aus gestalterischer, bautechnischer und vermessungstechnischer Sichtweise abzulehnen, wenn damit natürlich nicht generalisiert ausgeschlossen werden kann (und hier auch nicht generell ausgeschlossen werden soll), dass die alten Ägypter Kenntnis vom Proportionsphänomen des Goldenen Schnitts besaßen.
Die interessanten Maßwertzusammenhänge die von vielen Autoren als Beweggrund dafür angenommen werden, das Proportionsphänomen des Goldenen Schnitts in die Cheopspyramide hinein zu interpretieren, ergeben sich aus geometrischen Zusammenhhängen der Pyramidenform annähernd von selbst, wenn wir von einer geometrischen Pyramidenform mit einer Kantenlänge von 3 Streckeneinheiten zu 2 Streckeneinheiten Höhe ausgehen, wie die nachfolgenden Berechnungen aufzeigen:
Nachweisberechnungen für die Proportionen der Cheopspyramide
(Bei den nachfolgenden Nachweisberechnungen gilt, dass Messtoleranzen aus handwerklicher, kunsthandwerklicher und bautechnischer Sichtweise notwendigerweise hinzu zu kalkuklieren sind und dass Berechnungsexaktheiten damit nicht übertrieben zu bewerten sind.)
(Berechnungen folgen)
Einmessen der Cheopypyramide über die Kanten im Vergleich zu einer Einmessung über die Böschungen
Prinzip des in der Ägyptologie diskutierten Seked-Konzepts ist das jeweilige Einmessen eines (potenziellen) Rücksprungs gewählter Größenordnung im messtechnischen Verhältnis zu jeweils eine Elle an Bauhöhe dass die alten Ägypter im Pyramidenbau laut gängiger Theorien angewendet haben sollen (siehe z.B. die Erörterungen zum Seked-Konzept durch [Müller-Römer, 2011] und Winklers Einmessvorschlag für altägyptische Pyramiden mit dem Seked-Konzept [Winkler, 2001].
Bei Anwendung des Einmessens über den Seked würde sich demnach eine Pyramidenböschungslänge nach dem Prinzip des vermessungstechnisch einzurückenden Abschlags von der Grundmaßeinheit Elle ergeben: Wird so mit stets gleichbleibendem Rücksprung bei allmählich höher werdender verbauter Baumasse eingemessen, entsteht ein spezifischer Böschungsneigungswinkel. Dabei ist argumentativ zu berücksichtigen, dass die Einmessung eines Pyramidenbaukörpers über die sich jeweils ergebende Böschungslänge in Kombination mit dem entsprechenden Einrücken von verbauten Höhenschichten eine der wenigen überhaupt in Frage kommenden möglichen Einmessmethoden für Pyramidenbaukörper darstellt (vgl. [Müller-Römer, 2011] und die von … entdeckten Höhenmeslinien an altägyptischen Pyramidenböschungen).
Grundlegendes zum Einmessen mit Riemen, Schnur und Seil
Das Einmessen mit Riemen, Schnur und Seil, die potenzielle Verwendung von Zirkel und Richtscheit als planerischen Vermessungs- und Zeichenwerkzeugen [...], das Seked-Konzept, die altägyptische Mathematik mit ihrer spezifischen Stammbruchrechnung sowie die Grundeinteilungsprinzipien altägyptischer Messtäbe (z.B. alte ägyptische Königselle, oder auch meh) in Affinität mit den Einteilungen von Messriemen, Messchnüren und Messseilen der alten Ägypter beeinflussten sich in ihrer Entwicklung vermutlich über große Zeiträume. Intensiver zu beforschen wäre hierbei anbetrachts solcher innovativen Entwicklungslinien auch potenzieller interkultureller Austausch (siehe z.B. zum Vergleich die baylonischen und altägyptischen Arten und Weisen des Rechnens mit Stammbrüchen und z.B. die Diskussion über die mesopotamische Nippur-Elle [Lehmann, B13] [N\W5]).
Bei der altägyptischen Stammbruchrechnung [Robins/Shute, 1987] resultiert eine von den Grundlagen her simple (jedoch schwierig zu beherrschende) Rechenweise vermutlich auch aus dem Umgang mit Strecken-Proportionen [qed]. Dieses Prinzip lässt sich auch aus der Grundeinteilung der altägyptischen Königselle im Abgleich mit dem Remen (Pygon) ablesen.
Dabei nimmt diese Art und Weise des Rechnens zwangsläufig insgesamt Bezug auf die grundlegende arithmetische Analyse des Zahlenraums (der heute sogenannten natürlichen Zahlen).
Arithmetische Grundlagen erschließen sich durch das experimentelle und stellenweise sogar spielerisch mögliche Analysieren von Anzahlen von gleichartigen Grundelementen (z.B. aneinandergereihte und zu Figuren ausgelegte Anzahlen; siehe insgesamt auch die Thematiken der Arithmetik im Allgemeinen, z.B. bei [Cantor, 1907] und der figurierten Zahlen z.B. bei [Crilly, 2009]).
Erwähnenswert ist außerdem, dass der Papyrus Rhind (Rhind Mathematical Papyrus oder auch kurz RMP) als eine der wenigen altägyptischen mathematischen Quellen (siehe auch z.B. Moskauer Papyrus) weit nach Ende des Alten Reichs und der Erbauung altägyptischer steinerner Monumentalpyramiden verfasst wurde [Robins/Shute, 1987] .
In ihrer Gesamtheit passen hypothetische altägyptische Verfahren des Einmessens, Proportionierens und Berechnens im Hinblick auf die Anwendungsmöglichkeiten in der altägyptischen Pyramidenbaukunst stimmig zusammen und werden dabei auch durch die sich vermutlich früh entwickelnde Kunst des Vermessens und Aufreissens mit Zirkel und Richtscheit (bzw. Lineal) bestätigt, die insbesondere für den Steinmetzberuf der vergangenen Epochen typisch und stilbildend war [Hecht, 1997] und ihre Vorbilder bereits weit vor der Antike finden dürfte.
5.9 Gestalterisch-handwerklicher Umgang mit Proportionen im alten Ägypten
Der gestalterische, handwerkstechnische und bautechnische Umgang mit Proportionen ist aus vielen Bereichen gestalterischen Wirkens der alten Ägypter abzulesen (z.B. grundlegender Proportionskanon [Robins, 1994], z.B. grundlegender Entwurf eines Bauwerks (nach Winkler; siehe altägyptische Pyramidien [Winkler, Diss. 2001]), z.B. die Ermittlung der einmessbaren Neigung einer Pyramide über die Seitenflächen (siehe Seked sowie Pyramidenkörperberechnungen im Allgemeineren z.B. bei [Robins/Shute, 1987]), z.B. zur Anfertigung von Werkstücken aus Stein mit angearbeiteten Winkelungen wie etwa Verkleidungssteinen für Pyramiden (siehe z.B. bei [Stadelmann, 1990, 1997]), die notwendigerweise entsprechend präzise Einmessungstechnologien für die Durchführung solcher Steinmetzarbeiten erfordert hätten (siehe hierzu z.B. [Stocks, Ebook, 2004] [Müller-Römer, 2011] über das von den alten Ägyptern nachweislich praktizierte Einmessen der Seiten eines Natursteinblocks mit Schnüren und Stocks Theorie zur Einmessung von an Naturstein anzuarbeitenden Werksteinoberflächen mittels einer an zwei gleichlangen Stöckchen befestigten Schnur [Stocks, Ebook, 2004]).
5.11 Die Proportionen der Roten Pyramide von Dahschur
Mit der Roten Pyramide von Dahschur begegnet uns die annähernd einfachst mögliche vorstellbare Proportionsform eines Pyramidenbaus, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die alten Ägypter mit der Roten Pyramide einen ursprünglichen Neigungswinkel (als Böschungswinkel) von 45° angestrebt haben sollten. Über diese Annahme wird in der Ägyptologie diskutiert, obwohl Neigungswinkelangaben in der Fachliteratur dahingehend nicht eindeutig sind (siehe z.B. [Arnold, 1994] [Stadelmann, 1997] [Lehner, 2004]).
Gemäß dem Fall, dass die alten Ägypter für die Rote Pyramide tatsächlich einen ursprünglichen Neigungswinkel von 45° (also eine von der Planung her simple Quadratefigurkonstruktion mit einem einzumessenden Neigungswinkel von 1 : 1 Höhe zu Breite) angestrebt haben und die Frage ausklammernd, ob es gestalterische oder bautechnische Gründe waren, die zu einer solchen Pyramidenform der alten Ägypter geführt haben, kann im Sinne von Graefes Theorie das folgende angenommen werden (VGL. MÜLLER_RÖMER_ZITAT):
Bei der Roten Pyramide von Dahschur wären es die Seitenflächen gewesen, die über ein vermessungstechnisch einfachst mögliches Einmessen im Proportionsverhältnis von 1 : 1 (Breite zu Höhe) hätten eingemessen werden können (und nicht die Kanten über einen Messwinkel von 45° über die Ecken und Kanten der Pyramide).
Nach Graefe hätte sich für die Rote Pyramide von Dahschur mit ihrem hypothetisch angenommenen Neigungswinkel von annähernd 45° diagonal über die Kante gemessen ein einzumessender Neigungswinkel von ca. 54,8° ergeben. Auf dieses Bauwerk angewendet greift Graefe´s Theorie also nicht im Sinne der Diagonaleinmessung über die Kante einer Pyramide: Bei der Roten Pyramide von Dahschur wäre das Einmessen der Seitenflächen über ein Proportionsverhältnis von 1 : 1 (Breite zu Höhe) damit sogar indirektes Vorbild für das Seked-Konzept gewesen.
Graefe´s Argumente würden dann an Kraft verlieren: Die alten Ägypter hätten aber bei Anwendung dieser vorstellbaren Einmesstechnologie trotz der von Graefe vermuteten Vereinfachung des Bauprozesses einer Pyramide ohne vorherige Modellversuche o.ä. keine Hinweise darauf besitzen können, welche Form einer Pyramide im Ergebnis solcher Vermessungspraxis entstanden wäre. In solchen vorstellbaren Modellversuchen erschließen sich weiterführendere Einmessstrategien experimentell jedoch sehr rasch und weiterführend komplex, wobei wir im Hinblick auf die Entwicklung ihrer Vermessungstechnologien durch die alten Ägypter von großen Zeiträumen und von einer stark motivierten innovativen Auseinandersetzung ausgehen können.
Pyramidenbauplanung: Hypothetisches Vorgehen eines altägyptischen Baumeisters
Für die Bauplanung einer Großpyramide im alten Ägypten wären für einen altägyptischen Baumeister vielfältige Aspekte in der Planung zu berücksichtigen gewesen. Einer dieser wesentlichen Aspekte kristallisiert sich in der Planung der Höhen verschiedener, Steinblockschichten des Kernmauerwerks einer Pyramide heraus, wie es z.B. an der Cheops-Pyramide zu beobachten ist: Die Höhen der von den alten Ägyptern ablesbar immer wieder nivellierten Steinblockschichten der Cheopspyramide (siehe z.B. [Müller-Römer, 2011] sowie die Vermesusngen von Flinders insgesamt [Flinders, Ebook, 2020)] weichen teilweise stark voneinander ab und sind generell sehr variabel gehalten (siehe z.B. [Flinders, Ebook 2020] [Goyon, 1990]).
Der Grund für die unterschiedlichen Höhen der Steinblockschichten des Kernmauerwerks der Cheopspyramide (und so lässt es sich für altägyptische Bauwerke vermutlich - bis auf spezielle Ausnahmen - generalisieren) liegt zuvorderst wohl in der Materialökonomie: Wäre ein Monument wie die Cheops-Pyramide auch in den Bereichen des Kernmauerweks mit einheitlichen Steinblock-Schichthöhen ausgeführt worden, hätte dies zu einem exorbitanten Bedarf an geeignetem Natursteinmaterial geführt (bevor „Normsteine“ als Konzept im alten Ägypten eingeführt wurden (vgl. [...]): Die alten Ägypter hatten aber beim Abbau von Naturstein - so wie es sich noch heute gemeinhin gestaltet – insbesondere angesichts der Größe z.B. der Cheops-Pyramide und des in der Cheops-Pyramide schließlich verbuaten Volumens an Natursteinmaterial - mit den ganz alltäglichen Herausforderungen der Natursteingewinnung zu kämpfen: Es musste überhaupt geeignetes Natursteinmaterial in geeigneten Schichthöhen in ausreichenden Mengen gefunden und
abgebaut werden. Die Erschließung ganzer Steinbruchareale (siehe z.B. [Lehner, 1985]) sind deshalb auch auf dem Plateau von Giseh abzulesen, weil zu einer gesunden bautechnischen Ökonomie für die alten Ägypter zwangsläufig auch die Frage nach Transportwegen und nach Transportlogistik im Allgemeinen gehört haben muss: so wäre eine möglichst einfache Einmessmethodik von Vorteil bei Erbauung der Cheopspyramide gewesen und dies obwohl attestiert werden kann dass Einmessaufgaben eher einen minimalen Aufwand im Hinblick auf andere bei Erbauung der Cheopspyramide relevante Aufwandsaspekte bedeutet haben dürften.
Winklers Theorie zu altägyptischen Pyramidien
Winkler hat in seiner Dissertation die Theorie aufgestellt, dass die Pyramidien altägyptischer Pyramiden quasi maßstabsgetreue Modellvorlagen für schließlich erbaute Pyramiden waren (siehe [Winkler, Diss. 2001]). Nach Winkler wären aus den Abmessungen der gefundenen altägyptischen Pyramidien für altägyptische Bauhandwerker demnach relevante Abmessungen für die Erbauung einer Pyramide aus einem Pyramidion einer Pyramide ablesbar gewesen. Damit hätten Maßwertzusammenhänge für die Herstellung von Vermessungswerkzeugen direkt aus den Pyramidien abgeleitet werden können (durch proportionale Streckenvervielfachung).
Müller-Römer schreibt zu Winklers Theorie:
[ZITAT:]
Wie Winkler zeigt, stehen die Abmessungen der Basis eines Pyramidion (gemessen in
Handbreit bzw. Finger) zur Basis der entsprechenden Pyramide (gemessen in Ellen) stets in
einem geraden Verhältnis:
Rote Pyramide: 21 Handbreit zu 420 Ellen und damit 1 H Pyramidion zu 20 E Pyramide
Amenemhet III: 25 Handbreit zu 200 Ellen und damit 1 H Pyramidion zu 8 E Pyramide
pP Rhind (aus dem Papyrus heraus gemessen) 1 H Pyramidion zu 1 E Pyramide.
[ZITAT ENDE] [Müller-Römer, PDF, 2009]
Nach Müller-Römer kann mit einfachen Berechnungen aufgezeigt werden, dass ein einfaches Einmessen eines Pyramidenbaukörpers über die Kante eine komplexere Kenntnis der alten Ägypter über Pyramidenproportionen und anwendbare Grundmaßsysteme und Grundabmessungen sich nicht gegenseitig ausschließen müssen. Begründbar ist dies damit, dass für die Einmessung eines Baukörpers sowie für die Erzeugung von Proportionen für z.B. pyramidale Bauformen verschiedenartigste Einmessmethoden – und damit Proportionierungsmethoden in Frage kommen können die ihrem jeweiligen spezifischen Einsatzzweck gerecht werden würden (siehe z.B. die bereits aufgezeigten Einmessmethoden der Diagonal-Einmessung über die Kanten nach Graefe, die Einmessung über die Böschungslänge, auf die Müller-Römer Bezug nimmt sowie die bereits seit längerem diskutierte Einmessmethode über den Seked mit z.B. Winklers Adaption als technisch in Frage kommende Anwendungsmöglichkeit (beschreiben...).
Allgemeine Hinweise:
Namensgebungen u. Datierungen - sofern unkommentiert - nach [von Beckerath, 1997