Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Moderatoren: Nils B., Turms Kreutzfeldt, Hans T., Chris

Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Manu » 05.01.2012 13:23

Also, ich habe mich mal über die Feiertage an einen noch nicht ganz ausgereiften, aber dennoch anstrengenden Versuch gemacht, jungsteinzeitliche Schuhe herzustellen. Vorbild und angelehnt an Ötzi´s Schuhwerk. Das ist mein erster Versuch was Schuhe betrifft und ich bin dankbar eure Meinung dazu zu hören:

BildBildBildBild

Die Sohle der Schuhe sind aus Sohlenleder. Der Schuh selbst aus Hirschleder, anscheinend sämisch gegerbt, kann ich aber nicht beschwören. Die Grundschuhe sind vollständig mit Hirschsehnen genäht :D ging besser als gedacht. Das Ziegenfell nähte ich dann "um den Schuh", damit es im Winter schön warm ist. Und sieht auch gut aus. Statt Gras habe ich Wollfilz verwendet (ich bitte um Verständnis) und meine Katze wurde dadurch mehrfach gebürstet :16:
Natürlich kam wieder der Gedanke Fell nach außen oder nach innen. Ausserdem habe ich mangels guter Lederriemen (gekaufte hätte ich schon gehabt, aber..) Flachsschnüre mehrfach geflochten und an der Ferse als Schnürriemen angebracht.
In der Wohnung läuft es sich ziemlich gut darin.
Der Härtetest kommt natürlich noch.
Was sagt ihr dazu?
Manu
 

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon FlintMetz » 05.01.2012 14:42

Großartig - super!!! Gefallen mir sehr gut... zu was Weihnachten nicht alles gut ist :)

Schöne Grüße...

Robert
Dem Retuscheur ist nichts zu schwör...
Benutzeravatar
FlintMetz
 
Beiträge: 686
Registriert: 03.10.2010 19:43
Wohnort: 84543 Winhöring

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Trebron » 05.01.2012 17:34

Sehr sehr schön Manu ! Daran habe ich mich noch nicht gewagt, jetzt wirds aber Zeit !
Womit hast Du die Löcher vorgestochen ?
Kommt da noch eine Sohle darunter ? Ich hätte Angst, dass sich beim Laufen die Nähte aufscheuern.
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
Benutzeravatar
Trebron
 
Beiträge: 2025
Registriert: 02.01.2006 12:16
Wohnort: 67454 Haßloch

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Manu » 05.01.2012 17:54

Ja, du hast recht, obwohl ich sagen muß, dass die Sehnen sehr hart sind und ich die Naht nochmals mit Tiersehenen umwickelt habe. Ich wollte die Schuhe eben mal nicht "Mokassinartig" machen. Frag mich nicht nach dem Vorstechen der Löcher. Zum Teil haben meine Hände sich Abends wie Pudding angefühlt. Ich habe eine Ledernadel genommen :oops: und mit einem Holzbrettchen die Nadel "auf den Kopf gestellt und durchgedrückt". Mein Sohn konnte gar nicht hinsehen, aber ich hatte ein gutes Gefühl dafür, wo die Nadel durchsticht :mammut2: (meistens)

Ansonsten wird das Tragen der Schuhe zeigen wo es klemmt, bin selber mal gespannt. Nichts war oder ist für die Ewigkeit.
Manu
 

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon ulfr » 05.01.2012 19:15

Manu hat geschrieben:Ich habe eine Ledernadel genommen und mit einem Holzbrettchen die Nadel "auf den Kopf gestellt und durchgedrückt".


dafür gibt es einen Takelhandschuh oder Segelmacherhandschuh

http://www.dennisschwarz.de/webimages/W ... dschuh.jpg

durch die kleine Öffnung steckst Du den Daumen, durch die große die restlichen 4 Finger. Die Riffelplatte liegt dann über dem Daumenballen, damit kannst Du die Nadel problemlos durchstechen. Eine Ahle braucht man, gerade bei dickem Leder, trotzdem.

Um ehrlich zu sein, glaube ich aber nicht an diese Art Nähte. Sie würden viel zu schnell durchscheuern, zumindest auf Sand oder Fels. Mittlerweile ist klar, dass auch die Ötzi-Schuhe offenbar durch die am Rand eingezogenen Lederstreifen zusammengezogen wurden:

Bild
adult image hosting

Wenn ich richtig informiert bin, kannten erst die `öme´verdeckte Nähte, das Prinzip des Bund- und Wendeschuhs gibt es noch bis ins Mittelalter ("umgekehrt wird ein Schuh draus"), erst sehr spät wurden Oberleder und Sohle vertikal vernäht, dann wurde aber die Naht in einer unten in die Brandsohle eingeschnittene Nut versenkt, und anschließend wurde eine Laufsohle druntergeklebt. Mit Birkenpech dürfte das etwa vonzwölfbismiddach halten ...
Aber Martin weiß bestimmt mehr!

Ansonsten: Tadellose Arbeit, Manu!

Ist ja wirklich ein sehr produktiver Winter :)
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
☪️oe✡️is✝️
Benutzeravatar
ulfr
Site Admin
 
Beiträge: 5321
Registriert: 05.04.2006 13:56
Wohnort: Wetterau

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Manu » 06.01.2012 07:03

Danke euch. Danke ulfr.

Ich habe mich natürlich schon länger mit "Schuhen" beschäftigt. Da ich selbst schon tagelang in den üblichen Steinzeit/Bronzezeitschuhen umhergelaufen bin, wusste ich schon, dass das Zubinden des Leders am Knöchel sehr schmerzhaft sein kann und man dann doch ständig mit Steinen und Wasser im Schuh zu kämpfen hat. Bei uns am Bodensee gibt es ja noch den Fund des geflochtenen Schuhes was meiner Meinung nach zeigt, dass das Bedürfnis seine Füße zu schützen da war. Wir wissen ja noch von Henning was eine Fußverletzung bedeutet. Also nur reines Barfußlaufen glaube ich nicht.
In diesem Sommer habe ich mir dann Ojibway-Moskassins angeschaut. Ojibway bedeutet "ziehen bis es sich kräuselt" und dieser Indianerstamm um die großen Seen der USA haben eben auch solche "Mokassins" genäht. Schuhe waren also so wichtig, wie der Name sagt.
Wie oben erwähnt wollte ich allerdings von dem Mokassin-Outfit wegkommen, und dachte die "Espandrillo-Form" des Ötzi Schuhes ist einfach und logisch. Ich kannte allerdings noch nicht die neusten Forschungs-Erkenntnisse. Wie auch immer, wenn du ein dickes an der Luft getrocknetes Leder hast, scheint mir die Espandrillo-Form auch sinnvoll zu sein.

Der große Ötzi-Hochaplpenschuh hilft am See u. U. wenig. Also habe ich versucht die kleinere Variante herzustellen. Sicherlich noch lange nicht ausgereift. Aber mal sehen... wenn es Flechtschuhe gab, die bestimmt auch nicht lange gehalten haben aber eben schnell hergestellt werden konnten...

Nächste Weihnachten kommt bestimmt und Schuhe sind ein verdammt wichtiges Thema, wenn man laufen muß :lol:
Manu
 

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Trebron » 06.01.2012 09:58

Hi Manu, schaue Dir mal in der Bilanz 2006 auf seite 10 / 11 die Rekos von Anne Reichert an, das wäre das Richtige, die Originale alle aus Seeufer-Siedlungen !

Habe mir das gestern Abend rein gezogen ! ;-)
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
Benutzeravatar
Trebron
 
Beiträge: 2025
Registriert: 02.01.2006 12:16
Wohnort: 67454 Haßloch

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Bullenwächter » 06.01.2012 10:01

Hallo Manu - Schick, bin schon auf Trageerfahrungen gespannt.

Sie eigenen sich bestimmt auch für den Schaufensterbummel in der verschneiten Altstadt - Anstelle von Moonboots :4:

Allerdings ist (modernes) Sohlenleder meiner Ansicht nach keine gute Wahl für historisches Schuhwerk, es stark gewalzt und komprimiert ist und sich nicht wie historisch verfügbares Leder verhält.
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
Benutzeravatar
Bullenwächter
 
Beiträge: 1564
Registriert: 05.12.2005 15:23
Wohnort: Halstenbek

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Manu » 06.01.2012 13:05

@ Trebron

Danke, kenn ich, schau´s mir aber gerne nochmal an.

@ Bullenwächter

Nun, das hatte ich eigentlich nicht vor, so ein Schaufensterbummel - aber wenn du mich einladest, vielleicht ist vom Weihnachtsgeld ja noch was über? :D

Spaß beiseite, meine Füsse sind eben auch nicht historisch erfahren und Sohlenleder schien mir keine so schlechte Wahl zu sein. Aber okok, die nächsten werden aus Bärenleder, ausm Nacken, zähnegekaut und naß eingetreten. :twisted:
Manu
 

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Martin » 06.01.2012 13:27

Hallo Manu,

interessante Arbeit - ich kenne mich da nicht wirklich aus, aber bin erstaunt ein mehrteiliges Oberleder zu sehen. Gibt es dafür Volagen?
Was das Nähen angeht, ich würde empfehlen eine Ahle zu nehmen und damit die Löcher vorzustechen. Im allgemeinen wird nur dünnes Leder mit einer Ledernadel - also so wie Stoff - genäht. Hartes Sohlenleder kann man sich durch ein 10-20 minütiges Bad in warmen Wasser gefügiger machen.

@Ulfr - ganz richtig beschrieben von dir, ausser dass du wohl die Laufsohle (und nicht die Brandsohle) gemeint hast. Ausschließlich geklebte Laufsohlen scheinen modern (20. Jh.?) zu sein. Man liest zwar in der Literatur manchmal davon, aber ich kenne keinen eindeutigen Nachweis. Verdeckt aufgenähte und/oder aufgenagelte (Halb-)Sohlen waren normal, um die eigentliche Laufsohle zu flicken oder von vornherein langlebiger zu machen.
Viele Grüße,

Martin
Benutzeravatar
Martin
 
Beiträge: 246
Registriert: 10.11.2007 19:58
Wohnort: Schwindegg

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Bullenwächter » 06.01.2012 14:46

Manu hat geschrieben:Nun, das hatte ich eigentlich nicht vor, so ein Schaufensterbummel - aber wenn du mich einladest, vielleicht ist vom Weihnachtsgeld ja noch was über? :D


Oh- Ja - Ich zieh dann meine puschligen Ziegenfell-Holzschuhe vom Devich aus dem Bregenzerwald an :mammut2:
http://www.holzschuhe.at/contents/media/l_5b_000.jpg
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
Benutzeravatar
Bullenwächter
 
Beiträge: 1564
Registriert: 05.12.2005 15:23
Wohnort: Halstenbek

Re: Projekt jungsteinzeitliche Schuhe

Beitragvon Manu » 06.01.2012 15:09

Also, sorry, aber ich bin da schon anspruchsvoller, hast du nichts netteres? :doubt:
Manu
 


Zurück zu Schuhwerk

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste