Hirschgeweihe

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Hirschgeweihe

Beitragvon Fridolin » 28.11.2009 12:17

Geweihe von Rothirschen sind gleichzeitig steif und zäh

Geweihe von Rothirschen halten Brunftkämpfen stand, weil sie ungewöhnlich steif und zäh sind. Das haben spanische und britische Wissenschaftler herausgefunden, als sie die mechanischen Eigenschaften der Geweihe untersuchten und mit den Werten von Oberschenkelknochen der Tiere verglichen. Die Geweihe können bei einem Zusammenstoß siebenmal so viel Energie aufnehmen wie die Knochen. Die zu Beginn der Brunftzeit ausgetrockneten Geweihe waren zudem besser gegen Brüche und Risse gerüstet als die noch feuchten Geweihe, die im Frühjahr beginnen, heranzuwachsen.

http://www.wissenschaft.de/wissenschaft ... 08587.html
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Beitragvon Blattspitze » 28.11.2009 17:15

Hirschgeweih ist wahrlich ein traumhafter Werkstoff. Nur nach dem Einweichen riecht es unfassbar übel ....
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Beitragvon Claudia » 29.11.2009 18:07

Blattspitze hat geschrieben:Hirschgeweih ist wahrlich ein traumhafter Werkstoff. Nur nach dem Einweichen riecht es unfassbar übel ....


Tut es? Find ich nicht - unsers riecht eigentlich nicht, finde ich. Wir haben allerdings vor allem alte Geweihe von Flohmärkten und alte Abwurfstangen. Frische hatten wir noch nie.
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Beitragvon Blattspitze » 18.10.2010 16:57

Ich habe mehrfach gehört, das Hirschgeweih des Europ. Rothirsches "früher", also aus archäologischen Zusammenhängen stammend, von deutlich besserer Qualität als heutiges gewesen ist. Mit besserer Qualität sind verm. Gewicht und damit überwiegend die Dicke der äußeren Kompakta gemeint.
Ich habe selbst schon erhebliche Unterschiede sowohl bei heutigen Hirsch-, als auch bei Rengeweih feststellen können.
Hat da jemand nähere Infos?
Worin könnte das begründet sein? Heutige "Zuchtauswahl" durch Jäger oder frühere Auswahl und Ablagerung ausgesucht schwerer Stangen im arch. Zusammenhang?
Gruß
M.
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Beitragvon Steinlaus » 19.10.2010 00:25

Wovon ist das Geweihwachstum am meisten abhängig?

Das Geweihwachstum und die Geweihstärke unterliegen vielen Standortfaktoren wie Klima, Höhenlage, Äsungsangebot, Wildbestandshöhe, Störungsdruck und anderen.

Allgemein gilt aber, daß Körper- und Geweihstärke korrelieren. Auf einem gesunden, starken Wildkörper wächst meist auch ein starkes Geweih. Mit zunehmendem Lebensalter, bis zu zwölf bis 14 Jahren, nimmt die Geweihstärke zu. Ältere und überalterte Hirsche setzen wieder zurück.

Quelle:http://www.djz.de/447,742/

Insbesondere die Wildbestandshöhe hat heutzutage wohl einen deutlichen Einfluss auf die Geweihstärke --> je geringer der Bestand desto stärkere Geweihe
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Beitragvon ulfr » 19.10.2010 09:33

Meine Erfahrung: Bei Gatterhirschen ist die Kompakta in der Regel dünner als beim freilebenden, das gleiche gilt für Hirsche aus dem Gebirge vs. Flachland.
Aber Ausnahmen bestätigen die Regel? Karpatenhirsch (wild) mit nur millimeterdicker Kompakta, Gatterhirsch (schwäbische Alb) fast ohne Spongiosa.
Beim Ren ist es noch undurchsichtiger, manchmal bekomme ich aus nahezu derselben geografischen Gegend Stangen, die vollmassiv sind und solche, die fast nur aus Schwamm bestehen.
Verallgemeinern kann man da wohl nichts, zuviele individuelle Faktoren bestimmen über die Beschaffenheit des einzelnen Geweihs...
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Beitragvon Blattspitze » 19.10.2010 12:04

Danke für Hinweise!
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Beitragvon LS » 19.10.2010 16:35

Mir wurde mal von einem Biologen erklärt, dass Hirsche auf Umweltstress mit Vermickerung des Geweihs bzw. der Kompakta reagieren. Klingt plausibel, denk ich.

Gruß L
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Beitragvon Steinlaus » 20.10.2010 11:24

In Ergänzung zu meinem vorherigen Post:

Die Wilbestandshöhe ist sicherlich für den Jäger die am einfachsten zu beeinflussende Variable, die aber auch andere Variablen mit beeinflusst.
--> Weniger Nahrungskonkurrenten --> Besseres Äsungsangebot
--> Bei territorialen Rassen wie z.B. Rehen --> weniger Revierkämpfe --> mehr Zeit zur Nahrungaufnahme.

Im Rahmen der Trophäenjagd werden heutzutage die stärksten Trophäen bei Gatterhirschen erreicht (große Gatter, optimale Ernährung, keine Störungen, kontrollierte Wilddichte) weitgehend unabhängig von deren Genpool, es haben also alle Rothirschbestände die genetische Möglichkeit unter optimalen Bedingungen kapitale Geweihe auszubilden, die sich dann nicht von historischen Geweihen der letzten Jahrhunderte unterscheiden.

Der ethisch moralische Sinn dahinter sei unkommentiert.

Zum Störungsverhalten durch den Menschen:

Jäger töten auf Distanz - Schüsse auf 200 m und mehr sind üblich - ... gegen Menschen
hilft nur die rechtzeitige Flucht auf große Distanz. ...Wenn
man um jeden Hochsitz und jeden Wanderweg eine „Gefahrenzone“ von 300 m annimmt,
dann wird deutlich, welch kleine, aus Sicht eines Rothirsches sichere Bereiche übrig bleiben –
fast nichts im Vergleich zu einer Streifgebietsgröße von einigen bis vielen Quadratkilometern.
Wo ein räumliches Ausweichen nicht mehr möglich ist, ist zeitliches Ausweichen die Antwort
im Hirschverhalten. Die Folgen sind bekannt: Rothirsche, die aufgrund ihrer
Ernährungsphysiologie eigentlich gerne alle vier Stunden Nahrung aufnehmen würden,
verlassen die sicheren aber nahrungsarmen Dickungen nur im Schutz der Nacht.

Quelle: http://www.fva-bw.de/aktuelles/veransta ... traege.pdf

Es ist also davon auszugehen das das Steinzeitliche Rotwild deutlich bessere Lebensbedingungen hatte und tagaktiv in einer offeneren Landschaft lichter Wälder Gebüsche lebte während es heutzutage nachtaktiv im Wald lebt.
Steinlaus
 

Beitragvon Blattspitze » 20.10.2010 14:39

Ich bin mir nicht sicher, ob wir allgemein "ideale Lebensumstände" größerer Wildtiere für "die" Steinzeit voraussetzen können. So sind z.B. im Verlauf des Mesolithikums mehrere große Wildtierarten auf den dän. Inseln ausgestorben, der Mensch dürfte daran nicht unbeteiligt gewesen sein. Bei überregionalen Mißernten / Nutztierseuchen dürfte im Neol. ebenfalls zeitweise massiver Druck auf Wildtierpopulationen ausgeübt worden sein.
Geweih als Rohmaterial in steinzeitlichen Siedlungsresten dürfte überwiegend aus Aufsammlungen von Abwurfstangen und seltener von schädelechten Stangen der Jagdbeutereste stammen. Verarbeitetes Geweih von Abwurfstangen könnte somit eine positive Auswahl durch den steinzeitlichen Menschen darstellen, die uns bessere Lebensumstände der Rothirsche bloß vorspiegelt aber nicht zu verallgemeinern wäre?
Gruß M.
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Beitragvon Steinlaus » 20.10.2010 19:15

Die heutige Lebensweise des Rothirsches entspricht jedenfalls nicht seiner ursprünglichen Lebensweise.
--> Wo er noch ungestört ist, bevorzugt der Rothirsch Steppen und lichte Wälder.
Die Tagaktivität wurde heutzutage weitgehend aufgegeben.
Und auch die Bogenreichweite der Steinzeit für jagdliche Schüsse (habe so 40 Meter im Kopf... ?!) dürfte nicht der heutigen Schussweite von meist 100 bis 200 Metern entsprechen.
Die Steinzeit war sicherlich kein Paradies und es gab noch reichlich andere Fressfeinde aber wahrscheinlich waren die Rothirschpopulationen dennoch deutlich größer und stabiler (abgesehen von Inselpopulationen).

In wie weit die Sammlung von Abwurfstangen eine positive Selektion gegenüber Stangen von gejagtem Wild darstellt habe ich leider nicht verstanden. So oder so müssen ja die entsprechend Geweihstarken Individuen existieren. Meines Wissens nach bleiben Abwurfstangen im Wald in der Regel auch nicht lange erhalten, da Nagetiere diese zur Deckung ihres Calciumbedarfs auffressen/zernagen. Eine Kumulation von Abwurfstangen im Mißverhältnis zur real existierenden Rothirschpopulation würde ich daher eigentlich nicht erwarten.
Aber hier bewege ich mich auf dünnem Eis.
Steinlaus
 

Beitragvon Blattspitze » 20.10.2010 20:18

Selbstverständlich ist die heutige Situation des Rotwildes in unserer Agrar- und Mobilitäts-Steppe nicht mit steinzeitlichen Verhältnissen zu vergleichen, da hast Du sicher recht und ich vielleicht eine falsche Gewichtung betont.

Zur positiven Auswahl: Ich nehme an, das für den größten Teil der aus Geweih herzustellenden Werkzeuge, Waffen etc. möglichst gutes, sprich Kompaktabetontes Material verwendet werden sollte. Abwurfstangen lassen sich mit etwas Erfahrung hinsichtlich Gewicht und Größe als gut oder schlecht geeignetes Material einschätzen, aufgesammelt wird dann nur oder überwiegend das gute, das sich dann anschließend "zuhause" in der Fundschicht akkumuliert? Schädelechtes Geweih "am Tier" ist ja nur über einen relativ kurzen Zeitraum vorhanden, die steinzeitliche Jagd auf den Rothirsch war sicher weniger saisonal geprägt als heute (?), es wäre dann ein deutlich seltenerer Fall ein Tier mit ausgereiftem Geweih zu erjagen, als Tiere in anderen, aus Werkzeugmachersicht schlechteren Geweihbildungsstadien?
... auch Rauhreif kann betreten werden!
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Beitragvon Steinlaus » 21.10.2010 07:23

Ok, habe es kapiert.

--> Oh Rauhreif... das knistert so schön beim Drüberlaufen...also dann mal los...

Also mit der Selektion der geeignetsten Werkstoffe/Geweihe durch die Nutzer und der daraus resultierender Akkumulation in dem Fundgut hast du sicherlich recht. Dennoch muss ja auch ausreichend Rohmaterial in Form von Abwurfstangen (plus Schädelechter Jagdbeute und ggf Aas) zur Verfügung gestanden haben. Irgendwie habe ich bei Steinzeit die Vorstellung von kleinen Gruppen von Jägern&Sammlern die in relativ großen Gebieten herumstreifen. Der Abwurf von Geweihen wird durch spezielle Fraßzellen eingeleitet, die die Geweih/Knochensubstanz schädelnah unterhalb der Rosen zerstören bis das Geweih abbricht. Meines Wissens erfolgt der Verlust der ersten Stange dann örtlich zufällig, da die einseitige Gewichtsbelastung den Hirsch aber stört wird die zweite Stange dann aber ebenfalls meist abgestreift/abgeschlagen/abgeworfen so das oft beide Stangen in räumlicher Nähe zu finden sind. Das würde bedeuten ,das man mit Erfahrung die Fundwahrscheinlichkeit nur wenig erhöhen kann, wenn man aber eine gute Stange findet meist auch die zweite finden kann. Somit dürfte selbst bei einer Akkumulation von besonders großen Rotwildstangen im archäologischen Fundgut diese nur einen Bruchteil des vorhandenen jährlichen Abwurfgutes an geeigneten Stangen darstellen. (*Knister-Raschel*)

Zitat: "Wie fremdbestimmt suchen Rothirsche Jahr für Jahr ihre traditionellen Brunftplätze auf." und "Der Jäger nutzt das Hirschrufen ...zur Rotwildjagd ...." (http://www.news.de/gesellschaft/8550433 ... e-wette/1/) Das Anlocken insbesonderer männlicher Hirsche durch Brunftrufe könnte auch schon vom Steinzeitmenschen genutzt worden sein. Zu diesem Zeitpunkt sind die Geweihe vollständig ausgebildet und man könnte somit die Geweihmenge bei der Jagdstrecke erhöhen da sich wahrscheinlich insbesondere besonders starke und gut ausgebildete Hirsche (potentielle Platzhirsche) anlocken lassen und schwächere/jüngere Exemplare eher Zurückhaltung zeigen. (*Knister-Knister*)
Steinlaus
 

Beitragvon XorX » 21.10.2010 21:18

Auch in Deutschland leben Hirsche teilweise noch "artgerecht" http://www.zeit.de/2010/02/Rothirsch. Ich stamm von da und hatte früher nachts öfter mal, nun, Rudel ist untertrieben... vorm Auto :wink:
X
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Re: Hirschgeweihe

Beitragvon MartinFasching » 14.02.2012 11:50

Ich habe aus unbekannter Herkunft eine Abwurfstange erhalten. Angeblich handelt es sich dabei um Rothirsch.
Beim Absägen der vorderen Gabel stellte ich fest, dass abgesehen von einer 2-3mm dicken Schicht außen, das Kernmaterial offenporig ist, sich also nicht unbedingt für die weitere Bearbeitung zu Beschlägen für eine Spatha-Aufhängung eignet.
Evtl. ist die Abwurfstange von einem zu jungen Tier, oder das Tier weist durch zu heftige Fütterung einfach ein zu schnelles Wachstum auf. Werde mal mit meinen Onkel (Jäger) besprechen. Weiß hier jemand mögliche Hintergründe?
MartinFasching
 

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