Brot bei den Kelten/Germanen

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Brot bei den Kelten/Germanen

Beitragvon ulfr » 17.11.2009 09:38

Heute habe ich mal eine Frage:
Gibt es aus keltischen bzw. germanischen Zusammenhängen Brotfunde? Wenn ja, waren die aus gesäuertem bzw. Hefeteig?

Bin für jeden Tipp bzw. Literaturhinweis dankbar, denn in diesem Zeitbereich ist meine Bib etwas schmalbrüstig.

Danke
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Beitragvon Claudia » 17.11.2009 09:54

Puh, nee, aus Eisenzeit oder RKZ kenn ich da leider gar nichts.
Das zeitlich näheste ist was aus der Bronzezeit aus Westfalen (irgendwas wie "Brotfunde aus Kreisgrabenanlagen..." oder so - muß mal sehen, daß ich den Titel wiederfinde). Diese Brote waren porig, also mit irgendwas gelockert. Was es war, ist nicht mehr nachweisbar, da die Funde verkohlt sind.
Ich bezweifele allerdings, daß bei nicht-verkohltem Material nachweisbar wäre, womit das gelockert worden ist.

Ich selber tippe auf Sauerteig, weil der doch recht einfach herzustellen ist. Wirklich nachweisen wird man das aber nicht können.
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Beitragvon S. Crumbach » 17.11.2009 09:55

ulfr, eisenzeitliches Brot aus dem Münsterland .....
Als analysierbare verkohlte Überreste aus Urnenbestattungen.

Ich sehe zu Hause die Literaturangabe nach.
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Beitragvon Andreas K. » 17.11.2009 10:28

Aus dem kelto-römischen Gräberfeld Belginum/ Wederath (Hunsrück) gibt es einige Gebäckuntersuchungen. Unter anderem kam ein verkohlter "Keltenkringli" aus Honigteig mit Hefe zum Vorschein, dessen Rezept ein schweizer Institut (daher der Name für das Gebäck) rekonstruiert hat. Muss aber auch erstmal nach der Literaturangabe suchen.
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Beitragvon Andreas K. » 17.11.2009 11:09

Währen, Max: Brot und Gebäck aus dem keltisch-römischen Gräberfeld von Wederath-Belginum. Kurtrierisches Jahrbuch (1990). S. 12-22 (vom selben Autor soll es noch einen Artikel mit detaillierter Wiedergabe der gesamten Analyseergebnisse für ca. 260 Proben geben, habe ich bisher aber nicht gefunden)

Archäologiepark Belginum [Hrsg.]: Das Keltenringli. Keltisches Ringebäck aus Belginum. Belginum o.J. (gefaltetes Din A 4-Blatt, im Museum erhältlich)

Werner, Achim: Keltische Kochbarkeiten. Stuttgart 2007. S. 69 Dinkelringel mit Honig und Mohn (eines der wenigen tatsächlich belegten Rezepte im Buch)
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Beitragvon Claudia » 17.11.2009 11:26

Wie haben die nachgewiesen, daß das mit Hefe gebacken wurde?
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Beitragvon Andreas K. » 17.11.2009 11:38

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, den Artikel mit den Analysen habe ich bisher noch nicht gefunden.

Ich vermute, dass sie im schlimmsten Fall einfach auf moderne Parallelen und heutige Honigteigrezepte zurückgegriffen haben. Durch die Struktur des Teiges ist zumindest ein Backtriebmittel nachgewiesen. Wie bei den modernen Parallelen sind aber auch durchaus eine Vielzahl variierender Rezepte je nach Bäcker/ Haushalt mit anderen Backtriebmitteln denkbar.
Aber die Funde stammen aus nachchristlicher Zeit und aus römischem Gebiet und daher finde ich es recht plausibel, Hefe zu verwenden. Wenn ich mich recht erinnere haben die Römer selbst Wein- und Bierhefen zum Backen verwendet, aber dafür kann ich leider keinen Nachweis erbringen, ist leider außerhalb meines Zeitfensters. Bin gerne lern bereit, wenn jemand andere Infos findet.
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Beitragvon Patrick M. » 17.11.2009 11:56

Keine Hefe soweit ich weiß. Hier auch mal das Rezept bei Ars Replika auf deren Homepage.

http://www.ars-replika.de/1__Jahrhunder ... ingel.html

Es gibt dort ein Alternativrezept mit Hirschhornsalz, welches Markus von uns mal ausprobierte und die Dinger etwas weicher machte. Der Teig schmeckt Lebkuchenartig und wird, bei unsachgemäßer Lagerung oder falschem Backen verdammt hart.
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Beitragvon Claudia » 17.11.2009 12:08

Für die 'ömers läßt sich die Verwendung von Hefe aus dem bekannten MVSTEI-Rezept erschließen. Da wird Most als Zutat angegeben, ich schließe daraus, daß noch gärender Most verwendet wurde, der dann die Hefe mitbrachte.
'ömers bringen uns allerdings im Hinblick auf die hiesige vorrömische Eisenzeit bzw. RKZ in der Germania Magna nicht viel weiter.
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Beitragvon Andreas K. » 17.11.2009 13:42

Die Rezepte der Keltenkringel, die ich kenne sind alle mit Hefe. Aber ja, es geht auch anders - darauf weisen die Ersteller der ursprünglichen Reko meine ich auch hin. Auch moderne Honigteig-Rezepte werden je nach Bäcker, Region oder Zweck mit Hefe, Hirschhornsalz, Pottasche (2-4 Tage stehen lassen, damit es was wird)... gemacht. Habe die Hefe-Kringel selbst schon mehrmals gemacht. Die Probleme sind dieselben: bei falscher Zubereitung oder falschem Backen werden die Dinger steinhart, bekommen aber nach etwas Lagerzeit eine lederartige Konsistenz. Meines Erachtens ist in einigen Rezepten auch zu viel Honig drin und zudem wird nirgends spezifiziert welcher Honig es sein soll. Dünnflüssiger Honig ergibt einen ganz anderen Geschmack als dickflüssiger, von den verschiedenen Blütenhonigarten mal ganz zu schweigen. In anderen wird Mohn beigemischt, der wenn ich mich recht erinnere, im Original allerdings nicht nachgewiesen wurde.
Also erlauben die Keltenringli scheinbar einen großen Interpretationsrahmen.

Mir sind noch Brotfunde aus Birka eingefallen, die dürften aber wohl zu spät sein.
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Beitragvon Claudia » 17.11.2009 14:13

D.h. es wurde in den Brotfunden nie Hefe nachgewiesen. Hätt mich auch gewundert, wie das gehen soll.
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Beitragvon marled » 17.11.2009 14:18

Hmm, und warum sollte das mit der Hefe nicht gehen?
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Beitragvon Chris » 17.11.2009 15:24

wenn man Getreide nicht in einer modernen Mühle mahlt, sondern von Hand (deutlich langsamer, also ohne Hitzeentwicklung), liefern die wilden Hefen auf dem Getreide von selbst das Backtriebmittel...

wenn man den Teig einen Tag ruhen lässt, reicht es für Brotfladen, gibt man ihm mehr Zeit, reicht es auch für ein dickeres Brot

in unzähligen Selbstversuchen getestet mit Jörgs Fladenbrot :-)


funktioniert allerdings nur bei warmen Temperaturen zuverlässig; im Winter in einem historischen Haus hat die Hefe schlicht kalte Füße und will nicht, auch ein Standort neben dem Feuer hat nicht geholfen
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Beitragvon Andreas K. » 17.11.2009 15:31

"Die charakteristische Gebäckstruktur mit der regelmäßigen Porung und der guten Lockerung macht eine - wenn ursprünglich auch unbewußte - Teiglockerung wahrscheinlich. Zumindest ist nach Plinius bekannt, dass die Gallier (Kelten) eine Art Bierschaum als Gärungsmittel kannten. Bei längerem Stehenlassen des Teiges ist im weiteren das Einsetzen einer Spontangärung äußerst wahrscheinlich."
Weiter schreibt der Autor, dass bei der Reko in Ermangelung von Met (wohl wegen des tatsächlich durch Pollen nachgewiesenen Honigs als Gärhilfe angenommen), dem Teig Bäckerhefe zugesetzt wurde.

Zitat nach: Rudin, Peter M.: Wederath Keltenringli - Versuche zu einer Rekonstruktion. Kurtrierisches Jahrbuch (1990). S. 19-22 (Fortsetzung des schon aufgeführten Artikels von Währen)

Da wäre also die Hefe: unfiltriertes Bier und Met oder der Schaum davon als Gärhilfe
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Beitragvon Claudia » 17.11.2009 16:50

Marled, ich will nicht bezweifeln, daß Hefe zur Verfügung stand - sondern ich zweifele daran, daß man heute an einem erhaltenen gebäckstück nachweisen könnte, ob es mit Hefe oder Sauerteig gelockert wurde.

Daß es möglich ist, mit Hilfe von gärendem Bier/Met/Most die Teiggärung anzuschubsen, will ich gar nicht bezweifeln. Und ich hab schon selber oft genug Sauerteig gemacht. Das funktioniert auch durch einfaches Stehenlassen einer Mehl-Wasser-Mischung (bei mir wars Roggenmehl). Aber ich wüßte wirklich gerne, mit welcher Nachweismethode man bei einem Fund Hefeblasen von Sauerteigblasen unterscheiden sollen könnte...
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