"Kletsie", der friesische Sprungspeer

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"Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Blattspitze » 03.04.2012 12:09

In diesem wunderbaren und lesenswerten Fred:
viewtopic.php?f=136&t=4716

sind Abbildungen des "friesischen Sprungspeeres" abgebildet, für den ich hier einen neuen Fred eröffnen möchte.
http://www.mittelalterlicher-friesenhof ... index.html

Der im vergangenen Jahrhundert noch verbreitete "Kluvstock" scheint eng verwandt:
http://www.cn-online.de/lokales/news/mi ... aeben.html

Meine Fragen an die "Neuzeitler":
Gibt es einen überlieferten Sprungspeer oder nur noch Abbildungen?
Gibt es irgendwo eine gute Reko zu sehen?
Wozu diente wohl die Verdickung, evtl. als Abrutschbremse?
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon ulfr » 03.04.2012 13:29

Versuchs auch mal unter "Klotstock" oder "Klootstock"
Ich frag mal meinen Leib- und Magenmuseumsfriesen ...
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Beate » 03.04.2012 18:16

Ein Fund ist mir nicht untergekommen, aber da wir eine rein zivile Darstellung machen, hat sich bisher auch keiner mit Waffen beschäftigt. Der Sprungspeer ist mir nur zufällig mal bei der Recherche mal aufgefallen.

Es gibt einen Artikel dazu: Der friesische Sprungspeer/Johannes Göhler. In Emder Jahrbuch 80/2000

Demnach lässt sich die Verwendung als "Multifunktionswaffe" (Speer und Sprungstock) wohl vom 12. bis 16. Jhd. belegen. Der Sprungstock (ohne Speerspitze) ist vermutlich älter. Das Wort Kletsie ist altfriesisch.
Beate
 

Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Jaegoor » 04.04.2012 11:13

Benutzt man in Spanien nicht ganz ähnliche Stöcke als Kletterhilfe??
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Beate » 04.04.2012 19:29

ulfr hat geschrieben:Versuchs auch mal unter "Klotstock" oder "Klootstock"
Ich frag mal meinen Leib- und Magenmuseumsfriesen ...


Niederländisch "Fierljeppen" (such mal bei Youtube *g* ), Rekord liegt z.Zt. bei 21 m.
http://en.wikipedia.org/wiki/Fierljeppen
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Blattspitze » 04.04.2012 20:21

Wobei Stabweitsprung in einem von Gräben durchzogenen Lebensraum ein sinnvolles Verkehrsmittel darstellt, Kletsie als tragbare Brücke.
Hier einige links zu Bildern aus dem Niedersächsischen Deichmuseum Dorum, u.a. ist bei einem Bild das untere Ende eines modernen Kluvstockes gut sichtbar:
http://www.collectconcept.de/?search=1& ... =Kluvstock
Bild
"Länge: 5,00 [m] Breite: 0,18 [m] Höhe: 0,60 [m] " Höhe 60cm??????
Wenn man sich den Stab ein Stück durch die Fußplatte geschoben vorstellt, ähnelt es den "Sprungspeeren" der genannten Abbildungen. Allerdings düfte es sich eher um "Sprunglanzen" handeln?!
Auch die verbogen dargestellten Stücke wundern mich angesichts der aus dem Springen zu erwartenden Belastungen.

http://foto.arcor-online.net/palb/alben ... 363431.jpg
(Den Bilder-link habe ich aus Hans` post geborgt...)
21m ist beeindruckend! (Oranje boven)

Ich werde im Sommer einen schnitzen, mit Spitze ausstatten und hüpfen ...
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon hugo » 04.04.2012 22:17

@Blattspitze OT: Ich freu mich schon darauf, Dich in Ergersheim mit der Sprunglanze alle anderen Verkehrsmittel überholend in den Wald hüpfen zu sehen. :lol: :lol: :lol:

Am Sprungspeer (mit Lanze hast Du natürlich recht) fasziniert mich seine Effizienz als bäuerliche Waffe gegen die berittenen Konservenbüchsen. Die Dänen dürften sich vor Hemmingstedt nicht über das über ein Jh. frühere Desaster der Habsburger bei Sempach informiert haben. Dort metzelten die mit Hellebarden bewaffneten Innerschweizer, die keinen Körperschutz trugen die Überzahl der abgesessenen, in ihren Rüstungen von der Sonne schon halbgar gegrillten Ritter nieder. In Hemmingstedt waren die Rüstungen ebenfalls nur von Nachteil.

Es freut mich, dass Du in den verbogenen Sprungspeeren auch keinen Sinn siehst. Solange dieses Mysterium nicht geklärt ist, bin ich mit der Deutung der dargestellten Kleidung als "friesisch" extrem zurückhaltend.

Grüße aus St. Pölten, wo ich beim heutigen Wetter in einer Rüstung auch umgekommen wäre.
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Beate » 06.04.2012 04:34

hugo hat geschrieben:
Es freut mich, dass Du in den verbogenen Sprungspeeren auch keinen Sinn siehst. Solange dieses Mysterium nicht geklärt ist, bin ich mit der Deutung der dargestellten Kleidung als "friesisch" extrem zurückhaltend.



Die Abbildung soll sicher nicht eine realistische Wiedergabe sein. Der Sprungspeer war doch auch sicher nicht so dünn. :wink: Ich denke, das ist symbolisch gemeint. Man hat das nur mit einigen typischen friesischen Attributen versehen. Die Frage ist nur, ob das auch auf die Kleidung zutrifft.
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Nils B. » 06.04.2012 13:24

Sehe mich schon mit Anlauf den Sprungspeer in einen Graben rammen, abspringen, auf halber Strecke senkrecht stecken bleiben - und dann mit fragendem Gesichtsausdruck gemächlich im Schlick versinken.
Was Deine, im Schuppenrock-Thread geäußerte, unerwartete Friesenbegeisterung angeht, Hugo: Als ich mich zwecks Frühmittelalter-Infos an Beate wandte, war ich noch der festen Üerzeugung, einen Sachsen darstellen zu wollen. Mittlerweile bin ich da komplett umfriesiert^^
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon hugo » 11.04.2012 20:33

Nils Deine Umfriesierung versteh ich. Mich erinnern die Friesen an unsere wilden alpinen Bergstämme, die erst durch den überbordenden Tourismus befriedet wurden. Ihre Geheimwaffe ist der Bergstock, der ihnen, wie den Friesen der Kletsie, hohe Mobilitätsvorteile im Gelände bringt.
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Turms Kreutzfeldt » 12.04.2012 08:25

@Hugo nur kurz ein lokalpatriotischer Einwurf vom Schreibtisch unter der Schleswig-Holstein-Trikolore:
Dithmarscher sind keine Friesen und die Nordfriesen (hier gibt es noch friesische Sprachreste) haben auf der Hemme sogar auf dänischer Seite mitgemacht, wenn ich mich nicht irre, was nicht zur Völkerverständigung nördlich und südlich der Eider beigetragen hat. Adam von Bremen rechnet die Dithmarscher im 11. Jhd. zu den Sachsen. Wahrscheinlich sind sie aus Sachsen, Dänen, Friesen und eingewanderten Flamen zum Dithmarscher Bauern zusammengewachsen.

Allerdings hast Du recht. Auch auf der Hemme sind Sprungstöcke eingesetzt worden, ob diese Lanzenspitzen trugen, ist mir nicht bekannt. Entscheident wird hier aber das Öffnen der Deich und die Überflutung des Schlachtfeldes gewesen sein. Die "Schwarze Garde", die Dänen und Hilfstruppen waren auf dem erhöhten engen Weg eingezwängt, die meisten ertranken. Der Danebrog wurde erbeutet.

Der Sprungstock heißt bei uns Klotstock oder Klootstock, ganz nach Region. Wie der beschaffen ist, davon weiß vielleicht Wulf mehr. Er hat jedenfalls keine '"Stütze" hinten (Der Stock nicht Wulf)

Springt mal über Gräbelein, findet Ritterlein Gebein, das rasende Wolllschwein Turms
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Re: "Kletsie", der friesische Sprungspeer

Beitragvon Turms Kreutzfeldt » 12.04.2012 08:33

@Nils: Stelle doch einen Dithmarscher dar! Dann bist Du ein Sachse, der am Stock ... äh, der mit dem Stock springt.

Der das Lamm brät, Don Turms
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