Keltische Schilde der Latenezeit

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Keltische Schilde der Latenezeit

Beitragvon Dain II. » 05.12.2005 22:04

So dann woll' ma die Datenbank mal wieder füttern. Also was ham wir?!

Erste bildliche Belege für Schilde bei den latenezeitlichen Kelten gibt es mit der Hallstattschwertscheide um ca. 400 v.Chr. Diese Schilde waren flach und hatten vermutlich eine reguläre Größe von 110-130 cm mal 50-60 cm und waren meistens Oval bis Langoval häufig auch rechteckig, später auch oft hexagonal oder rund. Der Schild bestand aus waag- und senkrecht miteinander verleimten Planken. Es gibt auch eine Statue aus Mondragon auf der ein Schild zu erkennen ist der rautenförmig verleimte Planken aufweist so dass die Faserrichtung auf allen Seiten beinahe parallel zum Rand liegt was vermutlich Schwerthieben vorbeugen sollte. Die Schilde waren im Zentrum wohl 1,2-1,4 cm dick und verjüngten sich zu den Kanten hin auf ca. 8-5 mm. Bespannt waren diese Schilde mit Rohaut oder mit mehreren verleimten Lagen Leinen. Der Rand wurde zusätzlich mit einem Streifen Leinen oder Rohaut versehen und vermutlich aufgenäht.

Über eine mittig ausgestemmte Griffausnehmung war eine Holzspindel geleimt die sich zu den beiden Enden hin stark verjüngte und die Griffhand schützen, sowie den Schild über seine Länge hin stabilisieren sollte. Ab der Zeitstufe Latene B kommen Blechbandbeschläge auf die über die Spinna genietet waren und der Hand zusätzlichen Schutz bieten sollten. Als auch für den auf der Rückseite angebrachten Holzgriff eine Blechverstärkung bzw. Eisenangel aufkam wurden oft auch die Buckelblech-Nieten mit dieser Griffverstärkung verbunden was den Griff natürlich sehr vorteilhaft stabilisierte.
http://www.hallstattzeit.de/Galerie/Otzenhausen/Otz_Gruppe_3_gross.jpg

Es gibt Reste vom Glaubergschild die als Lindenhölz identifiziert werden und Reste von Erlenholz in einem Grab aus dem Gräberfeld von Nebringen. Im Neunburger See bei La Tene hat man drei (???)geopferte sehr gut erhalten Schilde aus Eichenholz samt Buckelblechbeschlag gefunden die dort versenkt wurden. Ich bezweifle allerdings dass Eichenholz als reguläres Schildholz benutzt wurde. Zum ersten weil es sehr schwer ist und leicht spaltet und zum zweiten weil die Eiche für die Kelten ein heiliger Baum war und ich bezweifle das man heilige Bäume einfach für einen Schild fällt und einfach weiterverarbeitet. Vielleicht wurden die Schilde speziell für die Opferung gebaut, eben aus heiligem Material???

In der Latene A gab es Vollmetall-Spindeln die flächige Ausformungen besaßen und aufgespannten Tierfellen ähnelten. Die Handauswuchtung war aus zwei Linsenförmig zuammengefügten Blechen gefertigt die mit einem mittigen Eisenstab zusammengehalten wurden der in die beiden Rippenenden auslief. Funde davon gibt es am hessischen Glauberg und am Dürrnberg bei Hallein in Österreich.
http://www.hassiaceltica.de/bilder/krieger/ltaschild.jpg

In der Spätlatene (D) gibt es auch Vollmetallbuckel wie sie von den Germanen oder den frühmittelalterlichen Rundschilden der Wikinger bekannt sind. Exemplare davon finden sich in Alesia / Alise Sainte-Raine in Burgund, Frankreich.
http://www.ambiani.celtique.org/2005/st_romain/artconsomm%E9ducamouflagechezlesceltes.jpg

Später übernahmen die Daker einige Aspekte der keltischen Bewaffnung und Kultur darunter auch den keltischen Schild.

Soweit erstmal von mir,
lg Stephan
Dain II.
 

Beitragvon Thomas Trauner » 06.12.2005 12:14

Nur als Ergänzung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Die Schwertscheide des berühmten Grabes 996 aus Hallstatt ist sicher der früheste Beleg für die beschriebene Schildform in keltischem Zusammenhang. Zeitgleiche Situlenabbildungen (Situala Arnoaldi) zeigen ähnliche Kontruktionen.
Allerdings liegen bereits spätbronzezeitliche Vergleichsstücke in Form von Urnendeckeln aus Keramik der Villa-Nova-Kultur (hier: um das 9.Jh.v.Chr) aus Norditalien vor.
Üblicherweise schreibt man die Einführung der "spina", der Spindel auf der Vorderseite dem zunehmenden Einsatz von Fernwaffen zu.

Der Schild der Lt-Kelten war offenbar in der Zeit ab 300 v.Chr. bis in die Augustäische Zeit die Schildform Europas und der Mittelmeeranrainerstaaten.
Das römische Scutum "entwickelte" sich ebenfalls aus der From der Lt-Schilde.

Originale Schilde der Lt-Zeit sind aus La Téne selbst erhalten, sie bestehen aus Eichenbrettern.
Ein mittlerweile im Ägyptischen Museum nicht mehr auffindbarer Schild ähnlicher, allerdings im Querschnitt gebogener Konstruktion, bestand nach Angaben der Literatur "wohl aus Birke". Dieser stammt ziemlich sicher aus Seleukitischem Hintergrund.

Unklar bleibt weiterhin die Schildkonstruktion der hallstattzeitlichen Kelten. Überreste aus der eigentlichen Keltike haben sich nicht erhalten, wenn man von einem Schildbuckel ethruskischer Form aus Slowenien absieht.
Abbildungen auf dem Gürtelblech aus Vace (ebenfalls Slowenien) lassen ovale und rechteckige Schilde ohne Schildbuckel und Spina, deshalb wohl im Querschnitt gebogen, vermuten.
Keramikfiguren aus der eigentlichen Keltischen Bereich zeigen jedoch auch Rundschilde in der Form des Hoplons und spitzovale Typen mit Schildbuckel.

Thomas T.
Thomas Trauner
 

Beitragvon Dain II. » 06.12.2005 17:43

Da gibts doch diese "rundovalen" Schilde mit Schildbuckel die die Bronzereiter auf dem Wagen von Strettweg halten. Vielleicht vollständig aus Rohhaut oder aus mit Knochenleim verleimten Leinenschichten? Stefans Hut ist aus 4 Lagen Leinen mit Knochenleim gebaut und den könnte man, wenn man vor die Kopfaussparung einen Griff befestigt, schon durchaus als Schild benutzten (und leicht ist das Teil!).

Und wegen dem scutumartigen Schild aus Ägypten, ich hab gehört dass der mit Filz bespannt war. Weist du da etwas Thomas?

lg Stephan
Dain II.
 

Beitragvon Steve Lenz » 06.12.2005 18:23

Bild

Strettweg, Fuerstengrab: Reiterkrieger vom Kultwagen

Bild

Strettweg, Fuerstengrab: Der Kultwagen

(Quelle: www.rgzm.de/tomba)

Strettweg wird auf HAd1 datiert.

Vielleicht vollständig aus Rohhaut oder aus mit Knochenleim verleimten Leinenschichten?


Vielleicht auch einfach aus einer mit heissem Sand gehärteten Tierhaut? Wird steif und widerstandsfähig und benötigt keine Versteifung noch weitere Bespannung!
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Steve Lenz
 
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Beitragvon Dain II. » 06.12.2005 18:39

Vielleicht auch einfach aus einer mit heissem Sand gehärteten Tierhaut? Wird steif und widerstandsfähig und benötigt keine Versteifung noch weitere Bespannung!


Eben sowas Steve. Wie man ja sehen kann haben die Reiter Schilde mit Ausnehmungen und "spätlatenezeitlichen" Schildbuckel die eben eventuell nur aus dem Rohautschild ausgeformt wurden sofern die Darstellung stimmt. Aber aus der Fantasie des Künstlers wirds ja wohl weniger kommen als von zeitgenössischen Exemplaren (zumindest bei den Kelten halte ich die Richtigkeit von plastischen Bildnissen für zutreffender als die Statuen der Römer von zB. Germanen).

lg Stephan
Dain II.
 

Beitragvon Steve Lenz » 08.12.2005 17:50

Ich kann jetzt nicht beurteilen, inwieweit diese Statue als aussagekräftig einzustufen ist - aber dieser Schild wirkt doch bombiert, oder?

Bild

(Quelle: www.fenrir.dk)
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Beitragvon Dain II. » 08.12.2005 18:24

Ja das hab ich mir auch gerade gedacht :P . Hier was ich auch schon im Forum Gallicum dazu geschrieben hab:

Diesem Bild, dass Steve im Gürtelthread gepostet hat glaube ich einen bombierten Schild entnehmen zu können. Handelt sich laut Patrick um einen Galater. Wäre das nicht doch ein Beweis dass es zumindest leicht bombierte oder gebogene Schilde bei den Kelten gab?! Allerding handelt es sich vielleicht auch nur um eine Sonderform die durch den östlichen Einfluss entstanden ist. Zumindest bei der Trutzbewaffnung scheint das der Fall zu sein, siehe Balteus.
Was man auf dieser Statue noch erkennen kann ist der Mittelgrat auf der Mittlerippe der scheinbar typisch für keltische Schilde ist. Allerdings haben das kaum Keltendarsteller auf ihrem Schild, mich eingeschlossen.


lg Stephan
Dain II.
 

Beitragvon Dain II. » 27.12.2005 23:28

Eine Frage an Bullenwächter.

Da ich gerade vorhin den Weg zu deiner Website gefunden habe (Wow :shock: ) hab ich gesehen dass dein Schild nur aus einer Schicht Stoß-an-Stoß-Bretter verleimt ist. Hast du auf der Rückseite irgendwelche querhölzer angebracht? Wenn nicht, was hat der Schild denn schon alles ausgehalten? Ich mein die Planken sind nicht auseinandergegangen bei irgendeinem Gefecht oder?

lg Stephan
Dain II.
 

Beitragvon Thomas Trauner » 05.01.2006 15:44

Meiner Ansicht nach liegen genug eindeutige Abbildungen und Funde Lt A-zeitlicher Schilde vor, um damit als Rekonstrukteur leben zu können. Grab 996 und der Glauberg liefern Beispiele für Schilde mit Mittelrippe (Spina), der Dürrnberg Beispiele für Schilde in "Tierhautform".

Die Originale aus La-Tène sind flach. Flach. Flach. Flach.
Flach, wie das Ufer an dem sie gefunden wurden (la-Tène.. :D :D )
Der Schild der Glauberger Stele ist ....flach.
Der Schild der barhäuptigen Spätkelten-Statue aus Frankreich, deren Fundort ich mir nie merken kann ist...flach.
Die Größe der Schildbuckel der "tierhautförmigen" lässt eine Bombierung praktisch nicht zu.
Die Strettwegkrieger tragen....richtig...flache Schilde.

Ich würde eher davon ausgehen, dass der Schild des gezeigten Ton-Galaters einfach besser in gebogener Form an der Figur haftet als ein gerade dargestellter Typ.....Noch dazu, weil er offenbar mit Hilfe einer Model geformt wurde, da gibts Probleme mit Hinterschneidungen.

Aprobos Strettweg.
Markus Egg geht in seiner Monographie zu diesem Fundkomplex leider nicht wirklich näher auf die dargestellten Waffen ein. Er datiert den Gesamtfund richtigerweise nach D 1, bezeichnet die Helme der Figuren aber als dem "Negau Typ zugehörig".
Negau-Helme werden in aller Regel nach LT A datiert :shock:
Schildbuckel der gezeigten Art fallen völlig aus dem Rahmen der bisherigen Hallstatt-Funde, finden sich aber gelegentlich auf sehr spät Hallstatt/früh-Lt-zeitlichen Situlen aus Italien, die widerrum nicht keltisch zu sein brauchen.

Schwieriges Problem. Solange da kein vernünftiger Lösungsvorschlag da ist, würde ich die Finger davon lassen...

Trotzdem: Man erkennt auf der Zeichnung deutlich eine Umfassung der Schilde und einen Absatz am Schildbuckel. Beides deutet darauf hin, dass hier Metall Verwendung fand. Also würde ich eine normale Bretterkonstruktion für diesen Schildtyp vorschlagen.

Dain II, an Deiner Stelle würde ich entweder einen Schild vom Dürrnberg oder die vom Glauberg ins Auge fassen. Beim Glauberg hast Du sogar die Wahl zwischen den abgebildeten "Mittelrippigen" oder dem gefundenen langovalen mit riesigem Metallschildbuckel.

Nix für ungut.

Th.
Keep by the finds

PS: So weit ich mich recht an Hans?Posting aus der alten porta zu diesem "ägyptischen" Schild entsinne und noch die Kossaksche Pup. im Kopf habe: Kein Filz. Da stand nur was von "wollartigem" Material. Dummerweise ist der Schild ja im Ägyptischen Museum verschwunden. Der war übrigens im Querschnitt halbrund. Sandwichbauweise. Aber eben ptolomäisch oder seleukitisch.
Thomas Trauner
 

Beitragvon Hans T. » 05.01.2006 16:25

Schild aus dem Fayum: Die Filzdiagnose war damals eine Ferndiagnose, basierend auf Fotos die dem Bearbeiter vorgelegt wurden. Also...eher Finger weg von Filz.

H.
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
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Beitragvon Dain II. » 13.01.2006 18:11

Frage: Spricht eigentlich irgendein Argument dagegen auf der Rückseite von hallstatt- und latenezeitlichen Schilden ein Stabgitter aufzuleimen um die Stabilität der Schildbretter zu erhöhen, ähnlich denen der römischen Schilde?

lg Stephan
Dain II.
 

Beitragvon Thomas Trauner » 16.01.2006 09:15

Eines spricht dagegen: Die Funde aus La Tène. Keine Stabgitterkonstruktion.

Th.
Thomas Trauner
 

Beitragvon Dain II. » 16.01.2006 17:25

Tja dann wird wohl die Rohhaut allein für Stabilität sorgen müssen.

Obwohl ich kann nicht ganz glauben dass die Latene-Schilder für den Kampf gebaut waren. Eiche ist schwer und spaltent sehr leicht. Und es wurde meines Wissens kein Bezug gefunden, wobei ich gestehen muss dass ich nicht weis ob sich Leinen oder Haut unter Wasser überhaupt erhalten, zumal das ganze ja später versumpft ist, wenn ich richtig informiert bin.

lg Stephan
Dain II.
 

Beitragvon Thomas Trauner » 17.01.2006 09:43

Dain, gegen einen Bezug mit Rohhaut, Leder etc spricht natürlich nichts. Auch nichts gegen eine Verwendung einer anderen Holzart.
Aber ansonsten entsprechen die Funde den Abbildungen. Jede Hinzufügung wäre Spekulation. Ob sie in diesem Fall nötig ist, glaube ich jetzt nicht. Das wäre die theoretische Methode.
Um eine Hinzufügung zu rechtfertigen, müsste man, folgt man der reinen Lehre, erst mal einen solchen Schild EXAKT nachbauen, ihn bespannen und dann mit EXAKT gebauten Waffen bearbeiten. Fällt er wirklich auseinander wie Balsa, stimmt was nicht. Das wäre die praktische Methode.
Nach meiner Einschätzung käme bei diesem Experiment aber nur ein Mittelwert heraus, über den man dann wieder debattieren könnte. Ich meine, dass hier die praktische Methode keinen sonderlichen zusätzlichen Erkenntniswert ermitteln würde, also reicht die Theorie. Und da sollten wir uns an die Fakten halten. Und das sind die Funde und die Abbildungen. Flach, bespannt, ohne Verstärkungen.

Just my 2 cents.

Thomas
Thomas Trauner
 


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