von Godehardt » 12.07.2010 13:16
Hallo Thomas,
Du solltest Dich nicht zu eng nach den Ausführungen Michael Bittls im atarn richten. Wir haben zusammen den Bogen vom Olon Kurin Gol in Novosibirsk untersucht (ich hatte das Projekt organisiert, die Henkel-Stiftung hat die Kosten getragen, auch für die Nachbauten). Zwei der drei von ihm im Rahmen des Projektes gebauten Bögen sind gebrochen (Warum? Nun, heute glaube ich, dass wir die Konstruktion nicht richtig interpretiert haben!!) Den dritten Bogen konnte ich zusammen mit Michael Kieweg nur durch zusätzliche Umwicklung mit Seidenfaden vor dem Bruch bewahren; die Röntgenaufnahmen zeigten schon vorher, dass Gefahr im Verzug war. Meine heutige Meinung ist, dass Michael beim Bau der Bögen nie und nimmer auf die nachgesiesene Umwicklung aus Birkenrinde hätte verzichten dürfen, auch wenn man dadurch die eigentliche Konstruktion nicht mehr sehen konnte. Weiter hat man zwar keinen Sehnenbelag gefunden. Das heisst jedoch nicht, dass er nicht existierte! Leider wurde nämlich schon am Fundort der Belag aus Birkenrinde vom Bogen entfernt, weil man davon ausgegangen war, dass es sich bei dem Fund NICHT um einen Bogen handelt (dies sagte mir einer der Grabungsorganisatoren, Herr Dr. A. Nagler bei der Fundbesichtigung in Novosibirsk im Februar 2008). Da Sehne sehr schnell im Grab vergeht oder verzehrt wird, lassen nur Hohlräume zwischen Birkenrindenumwicklung und Bogenholz den Schluss zu, dass wirklich ein Sehnenbelag vorhanden war oder (bei fehlenden Hohlräumen) eben nicht.
Nach Auffassung der meisten Bogenbauer kann man ohne Sehnenbelag keinen so kurzen Bogen bauen, der eine genügend hohe Zugkraft aufweist und zu mehr als nur zur Kleintierjagd dienen kann. Aber auch der Verwendungszweck war aus den Grabbeigaben nicht ersichtlich, denn zusammen mit dem Bogen wurden nur Pfeile gefunden, die HÖLZERNE Spitzen hatten (drei Typen: Kolbenspitze, dreiflügelig, zweiflügelig, dierkt aus dem Schaftholz gearbeitet). Wenn es sich hier um Gebrauchspfeile handelt, dann ist die Vermutung, dass die Ausrüstung zur Kleintierjagd gedient hat oder zusätzlich noch zum Vertreiben von lästigen Konkurrenten, etwa Füchsen oder Wölfen, die sich an Herdentieren vergreifen wollen, durchaus begründet. A. Nagler und ich sind der Auffassung, dass die Ausrüstung für solche Zwecke gedient hat; V. Molodin war der Meinung, dass der Bogen eine Waffe war, die Pfeile hingegen nur Grabbeigaben.
Ein Artikel von Herrn Schellenberg und mir über skythische bögen ist inzwischen in einem Grabungsband über Arzan erschienen (Herausgeber: Cugunov, Parzinger, Nagler; siehe meine Mitteilung unter dem Topic "Skythen"). Ein weiterer zu dem Bogen von Olon Kurin Gol wird nächstes Jahr im Grabungsband zu Olon Kurin Gol erscheinen. Der Artikel wird aber noch aktualisiert, da inzwischen ein neuer Bogen nach unseren letzten Überlegungen gebaut wird, der noch getestet werden soll.
Viele Grüße, Erhard
Erhard Godehardt