Mikrolithen geschäftet!

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Mikrolithen geschäftet!

Beitragvon Blattspitze » 13.10.2010 08:35

Im aktuellen Mesolithic Miscellany:
Ein einzigartiger Fund aus Schwedens Mooren: Geschäftete Dreiecke am Pfeilschaft (Seite 7):
https://docs.google.com/viewer?a=v&pid= ... E2ZGJjYTky

Gruß M.
(Entgegen mancher Interpretationen scheint die einseitige Montage keine merklichen Auswirkungen auf die Flugeigenschaften zu haben, schließlich befindet sich eine relativ hohe Masse seitlich der Längsachse?)
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Beitragvon ulfr » 13.10.2010 09:24

Wow! Wieder was zum basteln!! :mammut2:

Ich glaube allerdings nicht, dass der fünfte Mikrolith nur auf die Schaftspitze aufgeklebt war. Wenn der sich beim Aufprall querstellt, würde das die Eindringtiefe doch eher verringern als - wie im Artikel geschrieben - vergrößern?

Zu den Flugeigenschaften: einseitige laterale Gewichtserhöhung scheint bis zu einem bestimmten Punkt keine bis wenig Auswirkungen auf das Flugverhalten zu haben. Da sich mesolithische Jagd wohl sowieso auf Entfernungen unter 20 m abgespielt haben dürfte, wie ethnologische Quellen nahelegen, kann von Präzisionsschüssen auf große Distanzen, wo sich auch geringe Gewichtsverschiebungen auf die Flugbahn auswirken würden, eh keine Rede sein. Wäre aber sicher mal interessant, dazu einen kleinen Versuch durchzuführen.
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Beitragvon Blattspitze » 13.10.2010 09:35

Wow! Wieder was zum basteln!!


Hab` ich auch gedacht!

Ich glaube allerdings nicht, dass der fünfte Mikrolith nur auf die Schaftspitze aufgeklebt war. Wenn der sich beim Aufprall querstellt, würde das die Eindringtiefe doch eher verringern als - wie im Artikel geschrieben - vergrößern?


Hmm, vergrößern oder erleichtern? Der ebenfalls aus Schweden stammende Pfeilschaft mit montierten Mikrolithen aus Lilla Loshult:
Abbildung hier auf Seite 2
http://www.aid-magazin.de/fileadmin/use ... iD6_04.pdf
zeigt ja einen entsprechend montierten Spitzenmikrolith. Ich bin sicher, dass eine Flintspitze das Eindringen erleichtert.
Allerdings bin ich auch sicher, das derartige Pfeile nicht mit dem Spitzenmikrolith nach unten in einem Köcher aufbewahrt wurden.
Im Artikel werden die seitlichen Mikrolithen als "Widerhaken" bezeichnet, die zusätzlichen schneidenden Kanten dürften aber das wesentliche Funktionselement sein.
Gruß Marquardt
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Beitragvon Thomas Trauner » 13.10.2010 09:48

Im Austellungskatalog "Mit dem Pfeil, dem Bogen" sind schon zwei solch lateral geschäfteter Mikrolithenbewehrter Pfeile drin.
Ich habe beide nachgebaut, aber nicht geschossen, da sie als Fotovorlage dienen.
Die Frage bei der Lateralschäftung ist ja auch die Länge des Pfeils. Ich weiß, dass von 1 m langen Mesolithischen Pfeilen gesprochen und geschrieben wird, die Quelle hierfür ist mir allerdings unklar....

Falls man jedoch von einer Pfeillänge im normalen Auszug ausgeht, bei mir wären das rund 28 inch, ist die laterale Schäftung im rechten Winkel zum Bogen (oder parallel) logisch, da sonst die lange Reihe der Microlithen mit dem Bogen kollidiert.
Kurz: Dadurch kann ich den Pfeil kürzer und steifer halten.
Nur meine zwei Steinchen.

Thomas
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Beitragvon ulfr » 13.10.2010 09:50

... in order to increase the penetration of the arrow.


Ob es dazu ausreicht, den 5. Mikrolithen quasi in einer Muffe aus Pech auf die stumpfe Pfeilspitze aufzusetzen? Ich könnte mir eher vorstellen, dass die Schaftspitze eingekerbt war (ist ja soo schwierig nicht, s. Sehnenkerbe) und die beiden dünnen Holzstege weggegammelt sind. Leider geben die Informationen über Lilla Loshult keinen Anhaltspunkt, ob die Spitze dort gekerbt war...
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Beitragvon Blattspitze » 13.10.2010 10:42

A V-shaped furrow has been cut into the wood, which can be followed from the break all the way to the tip. The furrow has been filled with resin...

Das verstehe ich so, als wenn bis zur Spitze eine Kerbe reichte.
Vermutlich ähnlich der geschnitzten Spitze des Pfeils von Vinkel Mose
Fig. 2:
http://www.palethnologie.org/fichiers_p ... 4ff84ab59b
Auch bei Lilla Loshult erwähnt Malmer, meine ich aus der Erinnerung, eine ähnliche Kerbe im Spitzenbereich.
Ist außerdem eine Frage der Qualität des Pechs. Ich habe da schon sehr harte Varianten in (an) den Händen gehabt.
Bin ja ein Verfechter der Schäftung von Spitzen mit asymmetrischem Querschnitt in seitlichen Schäftungskerben... :wink:

Thomas, es gibt mehrere Beispiele für sehr lange Pfeile aus dem Mesolithikum, der o.g. Pfeil von Vinkel Mose ist fast 1m lang, es gibt sogar deutlich längere (Fippenborg?). Längere Pfeile habe viele Vorteile:
-Der Spine Wert muss nicht so stark beachtet werden, wenn eine große Masse des Pfeils vor dem Auslösen bereits vor dem Bogenrücken ist, das richtige Treffen erleichtert es somit auch
-Bei den kurzen (siehe Ulfr) mesolithischen Schussentfernungen kann der Pfeil gerne mehr Masse und Gewicht haben, das wird direkt in Eindringtiefe und Energie umgesetzt
-Jeder zusätzliche Zentimeter Pfeillänge erleichtert das Wiederfinden in dichter Vegetation
Gruß M.
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Beitragvon ulfr » 13.10.2010 11:49

So hab ich es auch verstanden, und dann könnte der 5. Mikrolith lateral so eingesetzt worden sein, dass er in der Nut noch Halt genug fand, aber wenigstens zur Hälfte vorn über den Schaft herausstand.

Allzu hart würde ich das Pech gar nicht wählen, denn dann ist es auch gleichzeitig sehr spröde...

*sucht im "Setzkasten" nach geeigneten Mikroklingen* :razz:
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Beitragvon FlintMetz » 13.10.2010 20:29

Also, asymetrisch und in eine Kerbe an der Spitze gesetzt hebelt es die Projektilspitze beim Aufprall unweigerlich aus dem Schaft. Das ist dann aber nach der Durchdringung der Haut auch nicht mehr so schlimm, der Schaft knallt dann doch noch zu ca. 75 - 80% der normalen Eintringtiefe in das Gewebe. Außerdem kommt er dann leicht schief und macht ein größeres Loch = stärkere Blutung. Ich hatte mal vor einiger Zeit Beschusstests in Österreich - zwar "nur" auf Balistische Gelantine, aber die hatte wenigstens keine Knochen :D und sie ließ die Pfeile/Spitzen in Trefferposition und den Wundkanal gut erkennen.
Ich denke mal - wenn schon asymetrisch, dann macht eine Schäftung an der Seite evtl. mehr Sinn und ich kann mir dann den Verlust von 20 - 25% Eindringtiefe sparen. Andererseits macht es dann wieder größere Löcher... Je nachdem, was man haben will - tief oder breit.

Schöne Grüße...

Robert
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Beitragvon Blattspitze » 14.10.2010 07:28

Also, asymetrisch und in eine Kerbe an der Spitze gesetzt hebelt es die Projektilspitze beim Aufprall unweigerlich aus dem Schaft. Das ist dann aber nach der Durchdringung der Haut auch nicht mehr so schlimm, der Schaft knallt dann doch noch zu ca. 75 - 80% der normalen Eintringtiefe in das Gewebe. Außerdem kommt er dann leicht schief und macht ein größeres Loch = stärkere Blutung.

Das klingt spannend, sind das Ergebnisse Deiner Experimente?
Was hast Du für Kitt benutzt?

Hier ein interessanter Artikel über als Querschneider und seitliche Schneidenbesätze geschäftete ägyptische Mikrolithen (überwiegend Segmente), die sind am Vorschaft gar nicht mehr ins oder direkt ans Holz gesetzt, sondern nur noch in den Kitt gedrückt und einmodelliert. Das hätte vorher keiner geglaubt ...:

http://www.persee.fr/articleAsPDF/paleo ... 2_1057.pdf

Ist natürlich kein Birkenpech!
Bei Birkenpechfunden frage ich mich allerdings, ob inzwischen Analysen auch etwaigen Beimengungen und Magerungen, z.B. Sand, Haaren etc. Rechnung tragen? Derartiges könnte Stabilität u.a. erheblich beeinflussen...
Gruß M.
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Beitragvon FlintMetz » 14.10.2010 08:36

Ja - wir hatten damals unterschiedliche Projektile mit Balistikern und sogar Unfallchirurgen getestet. Die Frage war auch: Welche Wirkung will ich erzielen? Als "Kriegswaffe" sind natürlich in der Wunde verbleibende Steinsplitter und jede Menge Birkenpech eine höchst unangenehme Sache und auf längere Sicht nicht selten auch tötlich, auch wenn es "nur" eine Fleischwunde ist. Bei der Jagd soll das Tier aber ja möglichst schnell zum liegen kommen. Da bringt es nix, wenn es mit meinem Pfeil im Schinken davon rennt und eine Woche später irgendwo an einer Sepsis eingeht.

Als Kitt habe ich Birkenpech aus Eigenproduktion hergenommen. Genauer: "Ziemlich hartes" (uijuijui - welch dehnbare Angabe) Bikenpech mit ungefähr 5 - 8 % extrem fein zerriebener Asche der verkohlen Birkenrinde. Sand und andere Fremdmagerungen würden die Qualität, so denke ich jedenfalls, nur herabsetzen. Analysen hierzu sind mir aber auch keine Bekannt und ich selbst habs auch noch nicht ausprobiert.

Schöne Grüße...

Robert
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