phallusförmige Frauenfigurine

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phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Monolith » 27.10.2019 22:31

"Ein Amateurarchäologe hat nahe der Gemeinde Waldstetten in Baden-Württemberg eine kleine Quarzitfigur entdeckt, die gleichzeitig einen stark vereinfachten Frauenkörper wie auch einen Phallus darstellt. Das Alter des Fundes wurde auf ca. 15.000 Jahre und damit in die Eiszeit datiert."

https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/amateurarchaeologe-findet-phallusfoermige-frauenfigurine-aus-der-eiszeit-nahe-waldstetten20191026/
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon ulfr » 28.10.2019 08:38

Ehrlich - zuerst dachte ich an einen hoax ... aber wenn die Tübinger das sagen :6:
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Monolith » 28.10.2019 10:24

Keine Phantasie, ulfr? :razz:
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Blattspitze » 28.10.2019 13:36

Auf der Seite "Grenzwissenschaften" finden sich zahlreiche wahrlich grenzwertige und begrenzte Artikel. Hier gibt`s auch was dazu:
https://www.scinexx.de/news/geowissen/f ... -entdeckt/

Weiß jemand etwas über einen Befundzusammenhang? Ist das wenigstens ein Oberflächenfund von einem jungpal. Fundplatz ?

Ich beginne mich inzwischen aber auch zu fragen, ob wir die Reihe der stilisierten Formen stetig weiter ins Abstrakte fortsetzen können? Das endet ja irgendwann im Zirkelschluss ...
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Monolith » 29.10.2019 21:39

Blattspitze hat geschrieben:Ich beginne mich inzwischen aber auch zu fragen, ob wir die Reihe der stilisierten Formen stetig weiter ins Abstrakte fortsetzen können? Das endet ja irgendwann im Zirkelschluss ...


Wie meinst Du das, Blattspitze? Der Typ Gönnersdorf ist wahrlich sehr stilisiert, aber auch das letzte Glied in der Reihe eiszeitlicher Figuralplastik. Zweifelst Du an der Interpretation der Plastik als Figürchen?
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Silvia » 30.10.2019 07:57

Das ist ganz klar bearbeitet und als solches ein Zeugnis von frühen Kunstverständnis. Aber muss man das deuten ? Kann man es nicht einfach als bearbeiteten Stein sehen ?
Eine Schlagzeile mit "Frau in Penisform" bekommt man natürlich mehr klicks als "wir haben was gefunden und wissen nicht was es sein soll"
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Blattspitze » 30.10.2019 09:46

Hier das was die Uni mitzuteilen hat, das Stück aus ortsfremdem Material stammt aus einer Konzentration Magdalenien-zeitlicher Oberflächenfunde, was durchaus dafür sprechen kann, was man in den Stein hineinsehen will:
..."Von der natürlichen Form des Gerölls inspiriert, machen hier nur wenige eingravierte Linien aus einem typisch geformten Stein ein Kunstwerk. ...
So zeigt der Fund aus Waldstetten nur einen Oberkörper ohne Kopf, einen dominanten Mittelteil mit Gesäß und einen verkürzten Unterkörper im Profil. Mit einer umlaufenden Gravierung im oberen Bereich folgt er zudem einer Tradition der zweigeschlechtlichen Darstellung, die aus der europäischen Eiszeitkunst bekannt ist ‒ die Figur kann gleichzeitig als männliches Geschlechtsteil interpretiert werden. ..."

https://uni-tuebingen.de/universitaet/a ... %5D=detail
Monolith hat geschrieben:Blattspitze hat geschrieben:
Ich beginne mich inzwischen aber auch zu fragen, ob wir die Reihe der stilisierten Formen stetig weiter ins Abstrakte fortsetzen können? Das endet ja irgendwann im Zirkelschluss ...


Wie meinst Du das, Blattspitze? Der Typ Gönnersdorf ist wahrlich sehr stilisiert, aber auch das letzte Glied in der Reihe eiszeitlicher Figuralplastik. Zweifelst Du an der Interpretation der Plastik als Figürchen?

Ist das 6 cm große Stück aus Waldstetten aufgrund der sehr wenigen Ritzlinien eine Skulptur (Ursprüngliche Def. : durch Abtrag von Material aus dem Block herausgearbeitet?)? Eine Plastik (Ursprüngliche Def. : durch Antragen von Material von Innen nach Außen aufgebaut) ist es demnach nicht.

Wer bin ich als gescheiterter Archäologe schon, dass ich mir aus der Entfernung ein abschließendes Urteil anmaße, das dem der bearbeitenden Fachwissenschaftler widerspricht?
Ich meine bloß, dass die Interpretationsreihe vom detaillierten Kunstwerk aus eindeutig dokumentiertem und datiertem Befundzusammenhang zum immer reduzierteren aus eher unsicherem Fundzusammenhang läuft.
In Gönnersdorf sind es eindeutige und intensive Gravuren von häufig mehreren Personen auf Schieferplatten, z.B. vom Petersfels gibt es die immerhin "aus dem Vollen" geschnitzten Figürchen aus Gagat, die zwar manchmal schon sehr reduziert aussehen. Ein Kunstwerk entsteht im Auge des Betrachters. Frau oder Penis, womöglich eine Kombination? Kann gut sein.
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Monolith » 30.10.2019 17:32

Silvia hat geschrieben:Das ist ganz klar bearbeitet und als solches ein Zeugnis von frühen Kunstverständnis. Aber muss man das deuten ? Kann man es nicht einfach als bearbeiteten Stein sehen ?
Eine Schlagzeile mit "Frau in Penisform" bekommt man natürlich mehr klicks als "wir haben was gefunden und wissen nicht was es sein soll"


Ja, sicher bringt das mehr Zuschauer. Allerdings sind explizite Darstellungen des Geschlechts in der Eiszeit auch nicht ungewöhnlich. Die doppelgeschlechtliche Darstellungsweise wird auch für einige Statuetten anderer Zeitstellungen interpretiert. Das kann man manchmal gedanklich mitgehen oder auch nicht. Nur so wirklich be- und widerlegen kann man es eben auch nicht.
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Monolith » 30.10.2019 17:40

Blattspitze hat geschrieben:Wer bin ich als gescheiterter Archäologe schon, dass ich mir aus der Entfernung ein abschließendes Urteil anmaße, das dem der bearbeitenden Fachwissenschaftler widerspricht?


Nun mach Dich mal selbst nicht zu schlecht. Deinen Videos nach beurteilend und aus persönlicher Erfahrung, finde ich Dich absolut fähig! ;)


Blattspitze hat geschrieben:Ich meine bloß, dass die Interpretationsreihe vom detaillierten Kunstwerk aus eindeutig dokumentiertem und datiertem Befundzusammenhang zum immer reduzierteren aus eher unsicherem Fundzusammenhang läuft.
In Gönnersdorf sind es eindeutige und intensive Gravuren von häufig mehreren Personen auf Schieferplatten, z.B. vom Petersfels gibt es die immerhin "aus dem Vollen" geschnitzten Figürchen aus Gagat, die zwar manchmal schon sehr reduziert aussehen. Ein Kunstwerk entsteht im Auge des Betrachters. Frau oder Penis, womöglich eine Kombination? Kann gut sein.


Ich bevorzuge die Bezeichnungen Statuette und Figurine, als Diminutive von Statue und Figur. Der Terminus Plastik entspricht sicher nicht mehr der Auslegung in der Kunst, hat sich aber in der deutschen archäologischen Forschung ebenfalls etabliert. Dass die Archäologie mit ihren Begriffe eigene Wege beschreibt und ursprüngliche Bedeutungen dabei vernachlässigt, kennt man ja. Irgendwann ist die Plastik aber ist in den Brunnen gefallen und es ist zu spät, das Bild wieder zurechtzurücken.
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon ulfr » 31.10.2019 09:10

Es gibt einen noch nicht publizierten Neufund aus Italien, ebenfalls ein Kiesel "in Frauenform", der mit wenigen Einschnitten modifiziert wurde, um die Gestalt des objet trouvé zu betonen. Der stammt allerdings aus gesichertem Zusammenhang (Höhle). Ich denke, dass Vorsicht angebracht ist und man nicht in jedes Lösskindel (für das ich die oben angesprochene Figurine von Waldstetten erst gehalten habe) etwas anthropomorphes hineinsehen sollte, sonst sind wir schnell beim Kiesgruben- und Bahnschotterpaläolithikum ("Das ist doch ganz eindeutig ein Gesicht/Mammut/Bär!!!"). :2: Gleichzeitig sollten wir uns aber auch nicht der Möglichkeit verschließen, dass so ein Stein natürlich auch schon vor Jahrtausenden ins Auge gefallen und dort als Kunst liegengeblieben sein könnte.
Ein Kriterium könnten eben Modifikationen darstellen, vorausgesetzt, sie sind als eindeutig anthropogen erkennbar - und selbst dann ist mein Küchenarbeitsbrett noch keine Landkarte oder Sternenatlas, bloss weil es von lauter eindeutigen Schnittmarken bedeckt ist.
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Re: phallusförmige Frauenfigurine

Beitragvon Medivh » 17.11.2019 22:23

uuufffffffffffffffffff... Wieso sieht man darin einen Phallus??? Grade in der eiszeitlichen Kunst wurden nicht nur in der figuralen, sondern auch in der Höhlenkunst natürliche Gegebenheiten, welche schon eine bestimmte Form aufwiesen entweder genauso gelassen und lediglich mit Farbe versehen oder "ausgemalt" ... Welche glaubensvorstellungen damals auch immer geherrscht haben mögen, so ist ein natürlich geformter Stein in Form einer Frauenfigur doch etwas besonderes und "übernatürliches" was ich nicht ummodele...

Auch mit dem Vorwissen, das man enen Phallus sehen will, habe ich diesen beim ersten Hinsehen nicht direkt entdeckt, da ich nur eine Fraunefigur sehe... nur weil der Oberkörper an der Spitze unfrömig ist, ists ja nicht dirket ein Phallus, aber wenn man natürlich lang gneug daraufschaut und sich diesen vorstellen will erscheint er auch... natürlich kann ich auch völlig falsch liegen und es ist ein doppeldeutiges Figürchen, aber ich persönlich seh es halt nicht
Alt ist man erst, wenn man zum Archäologen überwiesen wird.

Daniel Richardt, M. A.
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