Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

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Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Blattspitze » 12.08.2013 20:18

Ich bin in einer älteren Publikation von Forssander auf den interessanten älterbronzezeitlichen Depotfund aus Stockhult, Ksp. Loshult, Schonen, Schweden gestoßen. Darin waren u.a. neben Äxten, Beilen, Halskragen, Gürtelscheiben u.a. auch zwei ca. 15cm hohe bronzene Männerfiguren/Gliederpuppen, die interessante Hüte tragen. Was mögen das wohl für Hüte (Material u.a.) gewesen sein?
Das viel größere Rätsel ist natürlich, in was für einen Zusammenhang diese Figuren zu stellen sind.

Bild
Quelle:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... 981%29.jpg

Bild
Quelle:
http://www.bridgemanart.com/asset/64016 ... h_context={%22url%22%3A%22\%2Fsearch\%2Fsearch_assets.html%3Ffilter_text%3Dfigurine%26page_num%3D9%22%2C%22filter%22%3A{%22filter_text%22%3A%22figurine%22%2C%22filter_searchoption_id%22%3A%224%22%2C%22filter_assetstatus_id%22%3A1%2C%22filter_prev_text%22%3A%22figurine%22}%2C%22num_results%22%3A%221948%22%2C%22sort_order%22%3A%22best_relevance%22%2C%22search_type%22%3A%22search_assets%22%2C%22item_index%22%3A566}
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon AxtimWalde » 12.08.2013 23:12

Was hältst du von Filz? Wäre recht simpel zu machen und hat einen recht guten Effekt als Regenschutz. Ich kenne jemanden, die sich ziemlich intensiv mit Wolle und deren Produkten auseinandersetzt. Soll ich mal wegen der Machbarkeit nachhaken?

Gruß Kai :idea:
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Blattspitze » 13.08.2013 08:02

Hi Kai! Frag doch mal, -vielen Dank. Aber noch nicht bestellen ...
Gruß Marquardt
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon AxtimWalde » 13.08.2013 21:31

Hey Marquardt,
mach ich! aber beim längeren Betrachten des Männchens kann ich nicht um hin, in ihm gewisse Ähnlichkeiten mit Pinocchio zu sehen!!
Gruß Kai
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Hans T. » 14.08.2013 08:07

Die Figur ist natürlich kultisch. :5: :8:

Mit Filz ohne Seife hab ich immer so meine Probleme. Die einen sagen so, die anderen so...

Unabhängig davon, der Hutrand / Krempe hat Löcher, weshalb auch immer. Die Figur datier ha so um 1300 und da waren zB im Süden grad mal die spitzen Goldhüte in. Schifferstadt, Ezelsdorf...
ich bleib mal da dran.
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon hugo » 14.08.2013 08:22

Hans, ich schaffte Filz mit nicht entfetteter Wolle und Aschenlauge. Die Überlegung war, dass Filz für seifenlose Regionen gesichert ist. Bei meinem Verfahren wird aber automatisch verseift.
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Hans T. » 14.08.2013 10:23

Ich würde da auch nicht über "keinen Fall Filz" diskutieren wollen. Textilien sind nicht meine Stärke...

Was mir mehr Kopfzerbrechen bereitet ist das paarweise Auftreten im Hort und eben die Löcher in der Krempe. So wie ich die online-Literatur überfliegen konnte, geht man da von Hörnern aus. Einfach so, ohne Begründung, in einem Werk ist von "sicherlich" die Rede. Und dann die kultischen Deutungen mit Verbindungen zu allem, was irgendwas konisches auf dem Kopf hat und wenns im hintersten Iran ist.

Folgt man der o.a. Zeichnung sitzen die Löcher an der Stelle, an der ein Hutriemen / Sturmriemen säße. So wie die Zeichnung aussieht, ist an der Stelle auch das Gesicht recht flach. Ein Riemen aus organischem Material ist vorstellbar. Folgt man dem Gedanken weiter, stellt sich die Frage, braucht ein weicher Hut einen Sturmriemen? Eher nicht. Ein harter Hut schon eher, aus Gewichtsgründen beim Bewegen und nicht so guter Passung (die Innenfutter sind nie anpassungsfähig genug).

Für mehr bräuchte man wirklich eine moderne Publikation zum Hortfund spez. den Figuren. Irgendeine Spur müsste bei einer ordentlichen Auflichtmikroskopie schon zu sehen sein bzw qualifiziertere Vermutungen zulassen.

Die andere Frage ist natürlich der Spielwert der Figur bei beweglichen Armen. Technisch notwendig wären extra Arme aus Metall nur, wenn sie komplexe Gegenstände trügen. Sind aber nicht da. Reflexartige Meinung: Holzarme. Aber weshalb beweglich? Kultspiele? Oder doch einfach nur Pinoccio für die Bronze-Age-Kids?

H
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Blattspitze » 14.08.2013 11:11

Naja, die "Hackenstifte" deuten auf feste Montage auf einem Untergrund hin. Neben Hüten tragen die Pinoccio-Brüder noch sehr kurze Hosen. Wie wäre es mit organischer Oberbekleidung, die die Beweglichkeit der Arme verdeckt hätte? Ich stelle mir, mal so ins Blaue hineinphantasiert, eine Art kultisches Kasperltheater fürs gemeine Volk im Halbdunkel vor. Im richtigen dramatischen Moment zieht einer an einer haardünnen Schnur und die Arme heben sich Adoranten-artig an? So wird heute noch gezaubert und tiefes Staunen erzeugt!

Goldhut - Kalender?

http://www.landschaftsmuseum.de/Seiten/ ... dkegel.htm

Auf dem einen Bildstein des berühmten Kivik-Grabes

Bild
Quelle: http://www.zwoje-scrolls.com

ist zwar etwas umriß-ähnliches (mit viel zu schmaler Krempe) abgebildet, aber es hat eben keiner in den vielen schwedischen Felsbildern "den Hut auf", nur die hardware liegt vor.

Göttlich-fürstliche Hut-Insignie?

Wie wäre es mit einem Rindenhut mit breiter Krempe gegen den Regen?
Bild
Quelle:
http://www.anthroposgallery.com/gallery/haidahat_2.html
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Hans T. » 14.08.2013 19:59

Wg. Kultspiele: Die wohl jüngeren Veksø-Helme sind auch paarweise und gehörnt. Beim Fund sind zudem "Spielfiguren" dabei, Figurinen mit eben jenen Helmen und tanzende Frauen mit Schnurrock (wohlbekannt in realiter aus dem Baumsargfund)

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... nhagen.jpg

Was die Stifte anbelangt: Ja klar, sonst fallen sie ja um. Holzscheibe - Löcher und schon stehen sie.
Der Kivik-Stein wird auch immer bei den "Goldhüten" als Vergleich herangezogen. Die Kalendertheorie teile ich nicht, sie funktioniert nur an einem der Exemplare. Und selbst da ist "funktionieren" hochkomplex.
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Hans T. » 14.08.2013 20:13

Bild

Ich hab die Figurinen leider nicht "solo", nur im Hintergrund. Bloss damit man ne Vorstellung hat.

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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon ulfr » 15.08.2013 10:41

Neben Filz käme auch Zunder infrage ...?

zunderhut.jpg


Dies Exemplar ist aus Muränien und natürlich rezent, aber als Werkstoff müsste Zunder zu der Zeit und an dem Ort verfügbar sein.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Löcher in der Hutkrempe Befestigungsösen für "Marionetten"-Schnüre waren. Im "Ruhezustand" steht die Figur auf den Hackenstiften, wenn sie bewegt wird, also z.B. "gehen" soll, nimmt man sie an den Halteschnüren am Hut vom Sockel herunter und kann sie dann bewegen.
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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon AxtimWalde » 17.08.2013 20:43

Hey Hutfetischisten!
Der Filz im eigentlichen Sinne dürfte annähernd raus sein (siehe unten). Womöglich hat Wulf mal wieder Recht! Zum Sturmriemen sei nur soviel gesagt, dass er selbst bei absoluten Schlabberkrempen Sinn macht, da auch diese Hüte dazu neigen vom Kopf gepustet zu werden. Weiterhin kann er auch als Trageriemen genutzt werden, wenn man mal den Hut nicht nutzt, so hat man ihn aber stets dabei. Wie versprochen habe ich Kontakt zu unserer Wollfachfrau aufgenommen. Hier Ihre Antwort:
Hallo Kai!
Es gibt einige Hüte, die unter Filzhut aus der Bronzezeit "abgespeichert" sind Wenn man die aber näher betrachtet, sind die immer aus Gewebe, Schlingentechnik oder so was ähnliches, und später dann verfilzt worden. Echter Filz wäre möglich gewesen, auch ohne Seife, ist mir aber erst bei den Wikingern bekannt. Der erste "echte" Filz hat deswegen bis heute "überlebt", weil er zum Flicken eines Schiffes gedient hatte und luft- und lichtdicht einkalfatert wurde. Dabei handelte es sich aber um eine Maske. Hüte kann man aber auch aus Rinde oder Zunder machen.
Viele Grüße von Andrea

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Re: Bronzezeitliche Hutmode u.a. aus Schweden

Beitragvon Pitassa » 28.04.2022 23:13

Zu der schwedischen Hutmode ist mir ein gutes Buch von Peter Schauer über die Goldblechkegel der Bronzezeit in den Sinn gekommen, aus welchem ich auch selbst gerne inhaltliche Anleihen mache. Demnach dürfte der Ursprung des vergleichsweise sehr ähnlichen Goldblech Kegels von Schifferstadt in Lykien, Pisidien und Kappadokien zu suchen sein.

Tahsin und Nimet Özgüc gruben in Acemhöyük und Kültepe-Kanis mehrere Bullae aus Ton aus, welche Priester mit solchen Kegelhüten zeigen. In Yazilikaya bei Hattusa (Moria) entdeckte bereits Charles Texier großartige Reliefs, auf welchen die Priester und Könige mit solchen Kegelhüten dargestellt werden. Teilweise stellten die damaligen Künstler sogar die unter dem Kinn verlaufenden Riemenbänder dar, mit welchen diese spitzkegeligen Hüte am Kopf befestigt wurden. Es dürften sich bei diesen also um feste Hüte, vermutlich sogar Goldhüte, gehandelt haben, wenngleich bei den Hethitern selbst keine solchen gefunden wurden.

Ich selbst folge dieser Auffassung von Peter Schauer und denke zudem, dass ein Volk wie die Silingen oder Kimmerier diese Figuren bei der Rückkehr in ihre Stammsitze mitbrachten. Die Kimmerier wanderten um 700 v. Chr. von Anatolien nach den Tiroler Alpen und erreichten um 650 schließlich Dänemark, wo sie dann später als Kimbern in die Geschichtsschreibung eingingen, wie Vergil und Diodor vermuteten. Die Figuren könnten demnach eine kultische Rückbesinnung auf jene Zeit in Tabal bezeugen, was der Nachfolgestaat im Gebiet der einstigen Hethiter war. Gleiches gilt es meiner Meinung nach für den Kultwagen von Strettweg anzunehmen, welcher mitunter ganz ähnliche Figuren zeigt.

Gruß in die Runde

Pitassa :glauberger:

Quelle:

Schauer, Peter : Die Goldblechkegel der Bronzezeit. Ein Beitrag zur Kulturverbindung zwischen Orient und Mitteleuropa, Bonn 1986, S. 61 - 71.
Özgüc, Nimet : Excavations at Acemhöyük. In : Anadolu, Nr. 10, Istanbul 1966, S. 29 - 34, Tafel 15,2.
Bittel, Kurt : Die Hethiter. Die Kunst Anatoliens vom Ende des 3. bis zum Anfang des 1. Jahrtausends vor Christus, München 1976, S. 93, Abb. 75.
Bittel, Kurt : Das hethitische Felsheiligtum Yazilikaya, Berlin 1975.
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