Projekt Keltische Schnabelschuhe

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Beitragvon Joze » 09.05.2010 22:15

Joze hat geschrieben:aha - hat sich jetzt erklärt.
Ich denke ihr habt recht (obwohl bleibt offen, weil wir so genau doch die Schnitte von etrukischen Schuhen nicht kennen - ich kenne die nicht).


wegen geschwungene Form: die Leisten oben (Ha) von Hans - die könnten diese Form schon bestättigen. Doch spätter in Lt wird die Schuhform nicht mehr so hoch geschwungen.
(Vorlagen aus Pannonien).

Joze


Also, nochmals: die Quellen aus Pannonien haben oft eine dicke Sohle unten.
Solche Schuhe haben unsere Esos gemacht - diese HP habe ich einmal irgendwo in FG vorgestellt (denke in Thread über Schuhen in Eisenzeit).

Die sind auch Boii und die Glesum im März nach Ungarn (Budapest-Museum) angeschaut gegangen. Es geht um Tongefässe aus Lt und man sieht die Nähte&Verzierungen gut. So einen Schuh hat da in AF auch der Steve schon verlinkt.
Joze
 

Beitragvon Hans T. » 09.05.2010 22:22

Für mich bedeutet Sohle einerseits zwar die Schuhunterseite, aber genauer eigentlich ein extra "Bauteil". Das innere Teil, auf dem dann der Fuß zu stehen kommt, nennt man heutzutage Brandsohle, bei neuzeitlichen Schuhen ist das das eigentliche "Fundament". Unten dran dann als zweites Bauteil (neuzeitlich) die Laufsohle. Diese Bauteile sehe ich bei den keltischen LTA-Schuhen nicht, es sind m.E. Opanken (neuzeitliche Bezeichnung). Googelt mal nach Opanke, da gibts viele Anregungen. Vergleichbare neuzeitliche Modelle gibts auch bei den Samen, auch hier läuft man auf einem Leder, das gleichzeitig die "Seitenwand" ist. Der Unterschied zu diesen Schuhtypen gegenüber dem Fibeltyp ist aber der flache Rist, die Fibelschuhe sind da rund, vermutlich also sind die Seitenteile hier weiter nach oben gezogen als bei Opanke oder Samen-Schuh, die mokassinähnliche Oberteile haben.

Das Mittelband, das bei mir durch das Fußgewölbe läuft, ist tatsächlich lose aufgeschoben. Es ist aber elastisch vernäht, beim Hineinschlupfen komme ich durch, aber dann fixiert es den Schuh sauber im Gewölbe. Wie schon gesagt, sehr bequem und nix scheuert oder drückt - was ich von meinen Hallstattschuhen nicht behaupten kann.

H
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Beitragvon atroxus » 10.05.2010 20:44

Hallo Hans,
das Stichwort "Opanken" war genial. Ich habe ein virtuelles ethnologisches Schuhmuseum gefunden, mit hunderten Schuhen aus aller Welt und Anregungen für unsere Zwecke zuhauf: "Shoes Or No Shoes"
http://www.shoesornoshoes.com/index.php?page=ethno_thumbs

Erstaunlich, wie verbreitet Schnabelschuhe sind. Zwei Beispiele:

Schnabel- Halbschuh aus Anatolien (Nr. 2500 bei Shoes Or No Shoes)

Siefel aus Finnland. Hier finde ich besonders den Verschluss am Schaft durch ein Band so interessant, was mich doch stark an die Darstellung auf der Hallstätter Schwertscheide erinnert (Nr. 1867 bei Shoes Or No Shoes)

l.g.
Michael
atroxus
 

Beitragvon Joze » 10.05.2010 21:43

@Hans: du sprichst über unseren Schuhen:
http://goeasteurope.about.com/od/bulgar ... ture_4.htm

http://www.google.si/imgres?imgurl=http ... CBwQ9QEwAg - diese sind aus Balkan.

Bei uns war in 1970/80 er Mode diese Opanken zu tragen bei den Freaks und Hippies. Ich habe eigentlich meine erste Darstellung schon in Gymnasium gemacht: habe mir selber so eine opanken genäht und aus einem Handgewebten Teppich einen Klappenrock auch. War authentisch beim going in to the past. :D

Diese Schuhe Opanke/opanki ist es richtig schriftlich haben wir auch bosanke genannt /direkt Übersetz: aus Bosnien-kommend, boschischer Herkunft/

So schaut bosnische Tracht aus:
http://i161.photobucket.com/albums/t237 ... paruja.jpg

http://www.domaljevac.com/images/prud06.jpg

und unsere slowenische wieder - was sagt iht dazu? -
http://200.gvs.arnes.si/files/Slika%202 ... 0%20(Small).JPG (Quelle: Ethnologisches Museum Lj)

Cokle heisst auf slowenisch Holzschuhe.
In Alpengebirge hat man dniese cokle gemacht:
http://www.google.si/imgres?imgurl=http ... s%3Disch:1

http://www.pictureslovenia.com/media/im ... 110871.jpg

Da sieht man die cokle wieder und einen Teil von Rinde-Umhang (Die Zeichnung ist ober auf Verlinkung):
http://www.google.si/imgres?imgurl=http ... s%3Disch:1
Joze
Joze
 

Beitragvon Hans T. » 11.05.2010 10:35

Michael, der Link ist klasse!

Die finnischen Schuhe sind von der Machart diejenigen, die ich als Samen-Schuhe bezeichnet hatte. Die haben dieses Leder über dem Rist im Mokassin-Stil. Eine gute Sammlung dieser Schuhe ist im Schloss Gottdorf, Schleswig, in der Völkerkundeabteilung. Der türkische Schuh ist recht inspirierend....

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Beitragvon ulfr » 11.05.2010 12:51

Moin Michael, ich bin nächste Woche im Norden, wenn Du magst, kann ich einen kurzen Abstecher nach Gottorf machen und fotografieren. Bei Bedarf PN

Ansonsten kannst Du auch GeTe hier im Forum fragen, die wohnt bei den Saami
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Beitragvon atroxus » 21.05.2010 17:34

Die nächsten Schritte waren das Herstellen der Schnittmuster. Dazu habe ich zuerst die Oberkante der künftigen Mokkassin- (bzw. Opanken-) Sohle am Leisten angezeichnet sowie die Mittellinie über den Rist bis zur Spitze. Dann eine Schablone aus starkem Papier mit Nägeln angeheftet, die am Rand zackenförmig ausgeschnitten ist.

Bild

Die Zacken werden dann vorsichtig an den Leisten gedrückt und die Linien, die in den Zwischenräumen gut sichtbar sind, auf die Zacken übertragen, so dass eine Kopie der (halben) Leistenform entsteht.

Bild

In meinem Schuhmacherlehrlingsbuch gibt es dann eine Beschreibung, wie aus dieser Leistenkopie das Schnittmuster entwickelt wird.

Bild

Nach dem Muster habe ich dann das Leder ausgeschnitten und erst die Schaftteile hinten zusammengenäht und auf den Leisten gestellt.

Bild

Dann den unteren Teil zusammengenäht und mit Nägeln drübergespannt.

Bild

Der nächste Schritt spielt nun den wahren Vorzug so eines Leistens aus: Nun kann man nämlich die Nahtlöcher am Leisten durch die beiden Lederteile durchstechen. Danach das Leder abnehmen und nähen und die Naht hat die richtige Form.

Bild

So weit bin ich jetzt mal.
Schöne Grüße
Michael
atroxus
 

Beitragvon Hans T. » 21.05.2010 21:40

Ich bin begeistert. Es ist eine echte Freude, deinem Handwerk hier zuzugucken. Klasse. Ordentlich vorbereitet und dann handwerklich sauberst umgesetzt, mit Überlegung, Sinn und Respekt vorm Handwerk. Ich schwelge regelrecht, aber ich mein das wirklich ernst.

H
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Beitragvon Patrick M. » 22.05.2010 17:56

Toll! Ich kann mich Hans nur anschließen. Ich bin wirklich sehr auf den fertigen Schuh gespannt. Es wäre jetzt auch mal spannend deine Leisten mit den tönernen Originalen zu vergleichen.
Patrick M.
 

Beitragvon atroxus » 22.05.2010 22:29

Danke für den Zuspruch!
Patrick, ich habe meine Leisten bewusst nicht nach den tönernen Vorlagen von Sommerein gemacht. Mit tönernen geht das nicht, was ich mache - weil man keine Nägel einschlagen kann. Ich glaube, dass die tönernen für Schuhe mit so einer stehenden Naht gemacht waren, wie sie ja tatsächlich die meisten Reenacter- Schuhe haben, wo man dann den Schuh am Leisten genäht hat.
Meine Form orientiert sich neben den Schuhfibeln an den Goldauflagen der Hochdorfer Schuhe. Die Goldstreifen zeigen, dass diese Schuhe keine stehende Naht hatten.

Schöne Grüße
Michael
atroxus
 

Beitragvon atroxus » 27.05.2010 21:03

Die nächsten Schritte:
Ich habe das Oberleder auf den Leisten gezogen und festgenagelt.

Bild

Dann habe ich die Spitze wieder losgemacht, zurückgeschlagen und eine "Steifkappe" in die Spitze eingeklebt.

Bild

Bild

Danach wieder alles schön festgenagelt und trocknen lassen. Dann habe ich die Nägel rausgezogen, einen nach dem anderen, und den Schaft unten vernäht. Denn die Nägel für den Schaft würden das Aufbringen der Sohle ja nicht erlauben.

Bild

Schließlich die Sohle draufgenagelt. Hier habe ich allerdings einen Fehler bemerkt - oder eigentlich drei.
1) Das Probe- Sohlenleder taugt nichts. Laut Schuhmacherlehrbuch müsste es im feuchten Zustand an die Form des Leistens angepasst werden. Das geht mit diesem Leder nicht. (Für den echten Schuh nehme ich anderes Leder).
2) Weil ja der Schaft auf dem Leisten war, konnte ich mit der Zwickzange nicht richtig spannen - sonst hätte ich das Oberleder beschädigt. Also hat die Sohle nicht so fest gesessen, wie sie müsste. Also zuerst die Sohle feucht in Form bringen, trocknen lassen und dann erst den Schaft auf dem Leisten befestigen.
3) Ich habe zwar die Sohle am Rand schon dünner geschnitten (geschärft), aber sie muss noch dünner werden, nicht dicker als das Leder des Schafts. Das ist eine Herausforderung vor allem an die Kunst, ein Messer (immer wieder) rasiermesserscharf zu bekommen.

Bild

Aber weil ich nicht das ganze Fadenwerk untenrum wieder aufmachen wollte, habe ich mit der Ahle durch Sohle und Oberleder durchgestochen, das ganze wieder vom Leisten abgenommen und (ziemlich lange) genäht. Aufs Annähen der Sohle war ich sehr gespannt, doch es geht, wenn man an der Spitze anfängt und sich links und rechts gleichmäßig nach hinten arbeitet, weil man dann am Ende durch das große Einschlupfloch von innen an die Naht kommt.

Bild

Bild

Der Schuh trägt sich sehr bequem, nur die Sohlennaht stimmt nicht genau, was zu Falten links vorne führt. Außerdem muss ich am Leisten die Ferse noch mehr runden. Und die Spitze werde ich auch noch weiter hochziehen.
atroxus
 

Beitragvon Hans T. » 27.05.2010 21:48

Klasse. Mehr fällt mir nicht ein.

H
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Beitragvon Thomas Trauner » 31.05.2010 09:41

Echt klasse, sieht wirklich saugut aus. Tolle Arbeit.

Thomas

PS: Ich will jetzt keine Diskussion anfangen, aber:
Ich war vorletzte Woche in einem fotografierfeindlichen Etruskermuseum in Rom. Dabei fiel mir an den liegenden Ehepaaren, die zusammen auf den steinernen oder tönernen Särgen der Etrusker fast im Maßstab 1:1 dargestellt werden, auf, dass die (Schnabel)Schuhsohlen tatsächlich extra angebrachte Laufsohlen haben. Dicke ca 5-8 mm. Sie sind etwas kleiner als der Schuh selbst, (sie ziehen etwa 5 mm ein) sodass sie beim Tragen seitlich recht verdeckt werden und deshalb nicht auf den Wandmalereien dargestellt werden.
Anbringung unklar, Nägel oder Nähte waren nicht dargestellt.
Nur als Info.
Thomas Trauner
 

Beitragvon Joze » 17.09.2010 20:36

atroxus hat geschrieben:Hallo Hans,
das Stichwort "Opanken" war genial. Ich habe ein virtuelles ethnologisches Schuhmuseum gefunden, mit hunderten Schuhen aus aller Welt

l.g.
Michael


Hi!
Da Foto von slowenischen Opanken (opanci) aus 19. Jahrh. in Ethnolog. Museum Metlika (Bild kann man auch anklicken):
http://kultura.novomesto.si/si/revija-rast/?id=4769

Joze
Joze
 

Re: Projekt Keltische Schnabelschuhe

Beitragvon atroxus » 14.05.2011 15:11

Hallo, ich melde mich mal wieder, um den Thread hier abzuschließen.
Meine Schuhe sind inzwischen fertig und haben sich schon bewährt. Sie tragen sich absolut bequem.

Hier noch ein paar Bilder:
Bild

Bild

Das Häkchen an der Ferse habe ich nach intensiven Überlegungen als Utensil zum Einhängen der Hose interpretiert. Das bunte Band ist unten an der Hose angenäht und wird mit zwei Schlaufen hinten eingehängt:

Bild

So ergibt sich insgesamt ein recht geschlossenes Bild:

Bild

Viele Grüße
Michael
atroxus
 

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