braten / backen in Tonschalen

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Beitragvon Claudia » 16.11.2009 12:46

Jøran hat geschrieben:Nachdem ich einen Töpfermeister bei seiner Arbeit längere Zeit beobachten konnte, glaube ich nicht daran. Die erstellen noch ganz andere "Kunstwerke" mit ihren Händen. Diese Löcher machen bei einer Stieltülle keinen richtigen Sinn, besonders wenn der Stiel in der "Suppe" hängt.

Töpfermeister können heute auch vollständige große Krüge auf der Töpferscheibe drehen - war damals in der Regel nicht üblich.
Töpfermeister können heute auch gezogene, elegante Henkel formen. Wenn man sich z.B. die Krug-/Kannenhenkel des 13. Jh. (und auch oft später) ansieht, sind die als Wulst geformt, und nach unserem Verständnis in keiner Weise "ordentlich" angesetzt. Das Wort "rangepißt" paßt da eher. Die Leute hätten damals durchaus schon Henkel ziehen können - man braucht keine speziellen Werkzeuge dafür. Aber es war halt noch niemand auf die Idee gekommen...
Deswegen sollte man sich hüten, moderne Töpfertechniken auf die Geschichte übertragen zu wollen.

Da die etwas späteren Tüllen dann keine durchgehenden Löcher mehr haben, gehe ich davon aus, daß sich dann schon jemand überlegt hat, daß es günstiger wäre, die nicht nach innen durchzubohren.

Jøran hat geschrieben:Ich halte es auch deswegen eher für unwahrscheinlich, da dieses "Ding" (komme jetzt nicht auf den Begriff) am Rand fehlt. Was für einen sauberen Guß absolut von Vorteil wäre.

Du meinst sicher eine Schneppe. Das kommt noch dazu. Aber fehlende Schneppe allein wäre für mich nicht das ausschlaggebende Kriterium.
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Beitragvon Hrefna » 16.11.2009 13:51

Bei den kleinen Tüllenschalen kann ich mir eine Verwendung als Schöpfer sehr gut vorstellen, da es aber auch welche mit ca. 20 cm Durchmesser gab (die mir dann als Schöpfer zu groß vorkommen) - dachte ich an z.B. eine Pfanne.

Darum ja meine Frage, ob man überhaupt so trocken in einer Tonschale direkt in der Glut braten oder backen kann..... (ohne daß einem das Teil dabei zerspringt)

Meine Idee dabei war - bitte nicht lachen :oops: , daß man diese Tüllenschale dann als Pfanne in die Glut stellt, den Stiel (ich denke da an Holz ) herausnimmt, und zum aus dem Feuer holen den Stiel dann wieder einsteckt.
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Beitragvon Beate » 16.11.2009 14:05

Wegen "Töpfermeister" wäre noch anzumerken: diese Tüllenschalen und auch die anderen Gefässe lokaler Prduktion sind mit großer Wahrscheinlichkeit ausschliesslich in "Heimarbeit" gefertigt worden, es handelt sich nicht um professionelle Anfertigungen.
Dafür sprechen - abgesehen von den fehlende Nachweisen für Töpfereiwerkstätten und Töpferöfen - eine regionale und kleinräumlich sehr große Variationsbreite der Formen z.B. die der Randgestaltung. Die Gefäße sind ausschlieslich handgeformt, keine Drehscheibenware.
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Beitragvon Claudia » 16.11.2009 14:23

Hrefna hat geschrieben:Bei den kleinen Tüllenschalen kann ich mir eine Verwendung als Schöpfer sehr gut vorstellen, da es aber auch welche mit ca. 20 cm Durchmesser gab (die mir dann als Schöpfer zu groß vorkommen) - dachte ich an z.B. eine Pfanne.

Soooo riesig sind 20 cm dann nun auch wieder nicht... Und wenn sie mehr oder weniger formgleich sind, würde ich auch eher eine gleiche Verwendung annehmen.
Schöpfer können ja auch zu verschiedenen Zwecken gebraucht werden - muß ja nicht alles Suppe sein.

Hrefna hat geschrieben:Darum ja meine Frage, ob man überhaupt so trocken in einer Tonschale direkt in der Glut braten oder backen kann..... (ohne daß einem das Teil dabei zerspringt)

Ich denke, das ist nicht das Problem - es gibt ja auch neolithische Backteller. Wichtig wäre hier, daß kein Wasser auf den heißen Ton gekippt wird. Aber ich habe aus anderen Gründen (siehe oben) eher Bedenken, das als Bratgerät anzusprechen.

Hrefna hat geschrieben:Meine Idee dabei war - bitte nicht lachen :oops: , daß man diese Tüllenschale dann als Pfanne in die Glut stellt, den Stiel (ich denke da an Holz ) herausnimmt, und zum aus dem Feuer holen den Stiel dann wieder einsteckt.

Die Frage wäre hier, ob so ein Stiel dann auch fest genug hält, daß einem der Spaß nicht gleich wieder ins Feuer klatscht und das gute Essen hin ist? Und das, ohne daß man dann an der Tülle anfassen muß, um nachzuhelfen (beim Einstecken des Holzstabes).
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Beitragvon Fridolin » 16.11.2009 15:49

Claudia hat geschrieben:Ich denke, das ist nicht das Problem - es gibt ja auch neolithische Backteller.


Die neolithischen "Backteller" werden heute als Tondeckel für große Vorratsgefäße gedeutet. Mittlerweile hat man Befunde, in denen Vorratsgefäß und Backteller gemeinsam vorkommen. Die Bezeichnung Backteller wird aber noch weiter gebraucht.

Schöpfkelle: ja, zum Anwärmen von Suppe oder Brei: ja, zum Backen: ??? Ich fürchte die Öffnung ist ein wenig zu eng, um das fertig gebackene Teilchen herausholen zu können (innen leicht verdickte Randlippe); zum Braten: ??? Die Keramik war sicher nicht hoch gebrannt (Muschelgrus). Ich stelle mir gerade vor, wie sich die poröse Keramik voll Bratenfett saugt und womöglich noch etwas darin anbrennt: Ausprobieren.
Schmelztiegel: Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn darin höher schmelzende Metalle (Cu, Ag, Au) und Legierungen geschmolzen worden wären sollte man das auch sehen: Verschlackte Bereiche, Deformationen, Anhaftungen, Verfärbungen usw. Bei niedriger schmelzenden Metallen (Pb, Sn) bleibt noch die Frage offen, ob das die mit Muschelgrus gemagerte Keramik überhaupt mechanisch aushält.

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon Claudia » 16.11.2009 16:49

Fridolin hat geschrieben:Die neolithischen "Backteller" werden heute als Tondeckel für große Vorratsgefäße gedeutet. Mittlerweile hat man Befunde, in denen Vorratsgefäß und Backteller gemeinsam vorkommen. Die Bezeichnung Backteller wird aber noch weiter gebraucht.

Oh, das wußte ich noch nicht: Gut zu wissen, Danke!
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Beitragvon Beate » 16.11.2009 18:05

Fridolin hat geschrieben:
Claudia hat geschrieben: Ich fürchte die Öffnung ist ein wenig zu eng, um das fertig gebackene Teilchen herausholen zu können (innen leicht verdickte Randlippe); zum Braten: ???


Die Randform ist nicht Standart (siehe mein Beitrag oben), auch die Form der Schalen ist recht unterschiedlich.

Fridolin hat geschrieben:Die Keramik war sicher nicht hoch gebrannt (Muschelgrus). Ich stelle mir gerade vor, wie sich die poröse Keramik voll Bratenfett saugt und womöglich noch etwas darin anbrennt: Ausprobieren.



Ich brate Fladenbrote in der Eisenpfanne immer ohne Fett, ob das auch in Keramik geht, wäre die Frage.
Beate
 

Beitragvon Jøran » 17.11.2009 23:50

Claudia, ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich etwas von einer Töpferschreibe oder gar von "moderner Töpfertechnik" geschrieben habe.
Was meinst du mit "damals"? 8. Jahrhundert?
Wenn ich mir Keramik aus dem 9. Jahrhundert (z. B. aus Nordweg und Sweoland) ansehe, bin ich nicht der Meinung, dass die Henkel dort einfach mal "rangepißt" sind.
Und Beate, ich ging auch nicht von Töpferwerkstätten aus. Aber ich bin (anhand der Fotos) schon der Meinung, dass selbst bei einer reinen Siedlungsproduktion
die Qualität schon recht hoch lag und dort nicht jemand "einfach mal so" getöpfert hatte.

Jedenfalls besass da jemand beim Herstellen dieser Keramikobjekte Fingerfertigkeit und daher bin ich eben nicht der Meinung, dass die Verschmierung an der
Innenseite deswegen nicht gemacht worden ist, weil das ein "Gefummel" war.
Grundsätzlich stelle ich mir die Frage, warum überhaupt da nach innen durchgebohrt worden ist, da eine Verschmierung mit der Schale auch ohne einer
Bohrung möglich ist. Was wäre, wenn einige der Tonschalen doch für andere Zwecke gebraucht worden sind, wo die Tülle als Ausguss diente?

Wenn es sich bei dieser Tülle wirklich um einen Stielhalter handelt, dann würde ich gerne mal wissen ob diese Tüllen überhaupt halten.
Vielleicht dienten diese Löcher als zusätzliche Stütze für die Tülle an der Tonschale?`

Übrigens bei dem Töpfermeister handelte es sich jemanden von Fortidsminneforeningen und er arbeitet da fast nur mit seinen Händen.

Hilsen

Jøran-N.
Jøran
 

Beitragvon Chris » 18.11.2009 12:08

mein Vorschlag wäre ja eine völlig andere Verwendung (Beate kennt die Idee schon :wink: ):

wenn ich das richtig in Erinnerung habe, fehlen Käsesiebe im Fundgut (korrigiert mich bitte, wenn ich falsch liege!!), Milchviehhaltung war aber ein wichtiger Teil der Landwirtschaft

eine Nutzung als "Molkeschüssel" kam mir also in den Sinn:
Käseleinen in die Schale, Molke mit Bruch reischöpfen, durch die "Tülle" die überschüssige Molke abgießen; das Käseleinen vorsichtig anheben und ausdrücken, nochmal Molke abgießen etc.

dazu würde auch der steile Winkel bei vielen Schaelen passen, da läuft nix aus, wenn man die Schale nicht kippt

Los Beate, Keramik bestellen - ich will das endlich ausprobieren :D
Me transmitte sursum, Caledoni!
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Beitragvon Beate » 18.11.2009 12:41

Chris hat geschrieben:wenn ich das richtig in Erinnerung habe, fehlen Käsesiebe im Fundgut (korrigiert mich bitte, wenn ich falsch liege!!)


Tue ich hiermit, denn inzwischen sind Käsesiebe aufgetaucht (im Aussstellungskatalog "Friesen, Sachsen und Dänen - Kulturen an der Nordsee" gibt es ein Foto) und die haben keine Ähnlichkeit mit den Tüllenschalen.

Was mir aber bei der Suche aufgefallen ist: im Hoch- und Spätmittelaletr findet man auch sehr ähnliche Tüllenschalen. Gibt es da keine Hinweise, wofür die verwendet wurden?


Chris hat geschrieben:Los Beate, Keramik bestellen - ich will das endlich ausprobieren :D


Ist in Arbeit... :wink:
Beate
 

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