Schwert oder Dolch?

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Schwert oder Dolch?

Beitragvon Manu » 31.12.2012 15:50

Ich beschäftige mich gerade mit frühbronzezeitlicher Bewaffnung (nur ein bisschen) und habe immer wieder das Problem, dass ich Schwerte und Dolche nicht unterscheiden kann. Kann / muss man das von der Länge abhängig machen? Oder von der Form. Der Befund der Himmelsscheibe von Nebra zeigt, wie ich lese zwei "Schwerter", weiß jemand wie lang die sind? Ansonsten wird frühbronzezeitlich eher von Dolchen ausgegangen, wenn ich das richtig verstehe z.B. triangulärer Vollgriffdolch von Schollene. Es ist etwas verwirrend für mich. :5:

Gruss Manu
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon TZH » 31.12.2012 18:16

Ich denke, dass du eine Durchschnittslänge für Stabdolche berechnen könntest, alles darüber könnte als "Schwert" durchgehen.
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Hans T. » 01.01.2013 13:17

Mal eine ausgesprochen blöde Gegenfrage: Wieso ist das wichtig?
Nimm den Fund und gut ist. Wie der publizierende Autor das nennt, ist das eine, ob das dann die übliche oder mehrheitliche oder richtige Bezeichnung ist, ist doch erstmal egal.

Die Archäologen, auch die hier im Forum :11: :8: :9: , bezeichnen ja eh manchmal Sachen in einer seltsamen Art und Weise. Deshalb gibts auch im Fach solche Bezeichnungen wie "schweischneidiges Messer" oder "einschneidiger Dolch".

Ich halte mich da an die modernen Definitionen, es gibt eigentlich keinen Grund, sie nicht zu verwenden.

Messer= Einschneidiges Schneidinstrument. Für lange einschneidige Instrumente, die zudem Waffen sind, gibt es klare Fachbegriffe: Sax, langes Messer, xx-Wehr (je nach Datierung!)

Dolch= zweischneidiges, kurzes Instrument. Jagdwaffe, Kampfwaffe, Statussymbol.
Über die Definition "kurz" werden sich ggf. Archäologen und Archäologinnen nicht einigen können. Ob man die "Schwertgrenze" nun bei 20cm , 25 cm oder 30 cm legt erscheint mir nicht relevant.

Schwert=zweischneidige Angriffswaffe, Statussymbol
Die bronzezeitlichen Schwerter können tatsächlich recht kurz sein, aber dann kann man ja immer noch schreiben: ....ein Schwert des Typs xxx mit einer Gesamtlänge von xx cm.

Eine exakte Kategorisierung erscheint mir nicht für nötig.

H.

P.S Steve nannte mal einen hallstattzeitlichen, langen und breiten Dolch "Schwolch". Wäre natürlich auch eine Lösung.
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Manu » 01.01.2013 14:19

Tja, danke, wie so oft ist es eben nicht absolut, ab 25,345 cm ist es ein ... geht wahrscheinlich nicht.

Da ich ja noch festsitze an meinem Roman der in der frühe BZ spielt, kann ich eben "Schwolch" nicht nehmen und es ist auch nicht hilfreich den Fundort oder die Länge in cm anzugeben. Innerlich hatte ich mich dann für diese Zeit auf Dolch festgelegt, um den evtl. Leser nicht vorzugaukeln, dass da lange Schwerter getragen wurden. Denn Schwerter für uns Laien sind nunmal eben groß und keine Dolche von 12cm. Also habe ich mich dann gewundert bei dem Befund der Himmelscheibe mit "Beigabe", dass dann von Schwerter die Rede war.

Ich bleib in meinem Fall mal lieber bei Dolch. :lol:
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Hans T. » 01.01.2013 20:38

Klar gabs Schwerter in der Bronzezeit, und wie. Vollgriffschwerter, Griffzungenschwerter, Karpfenzungenschwerter....kommt halt drauf an, wann und wo das spielt. Bronzezeit ist lang und schaut im Norden anders aus als im Süden.
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Dago » 01.01.2013 21:30

Das ich zufällig die Zeitstellung von Manus Roman kenne ( BZ A1/A2) werde ich mal was Schreiben. In der FBZ sind 2 Schneidige Schneidgeräte in der Regel unter 35 cm Klingenläge wobei sie unter der in eingigen Puplikationen angestetzen Grenze für Schwerter von 40 cm Länge bleiben. In den PDF Bänden werden solche Klingen im Bereich von 25 - 40 cm als Langdolch bezeichnet. Längere Zweischneidige Schneidgeräte kommen erst ab BZ B vor. Im Süddeutschen Bereich sind sie sogar oft noch aus Kupfer. Vollgriffdolche im eigendlichen Sinn sind in Süddeutschland insgesammt eher selten belegt. Vollgriffschwerter erst ab BZ B. Die Nebra Teile dürften von der Griffform wohl einem BZ B Horizont angehören. Dafür spricht auch die Anordnung der 4 Nieten sowie der bereits vorhandene Mittelgrad und der halbrunde Ausschnitt des Griffes, und auch die Tauschierungen.
Grüsse
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon LS » 02.01.2013 00:50

@ Hans,
"Schwolch" ist doch ein durchaus passender Begriff, wenn man nicht weiß warum das Teil größenmäßig so dazwischen steht :-)

Gruß L.
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Manu » 02.01.2013 09:33

Danke, jetzt bin ich der Sache schon etwas näher.

@Dago
Du bist mal wieder meine Rettung. Langdolch ist ein gutes Wort. Ich glaube, da kann man sich ganz gut was vorstellen. Wenn dann noch eine leichte Beschreibung folgt, müsste es gut werden. Immer diese Waffen :10: :17:
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Trebron » 02.01.2013 10:23

Hallo Manu,

konnte leider nicht früher darauf eingehen und so ist mir Dago mit seinen super wissenschaftlichen Belegen zuvor gekommen.

Davon abgesehen, in einem Roman, der auch die FBZ als Zeitspanne hat, wird auch von "Langdolchen" gesprochen, ohne irgendwelche Maßangaben. Da wird nur erwähnt: ....ein Unterarm langer Dolch..., sowas hatte er noch nicht gesehen...."
Danach wurde der Begriff "Langdolche" verwendet.
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon FlintMetz » 02.01.2013 18:39

Wenn´s ein "Langdolch" ist, könnte es aber auch ein "Kurzschwert" sein :D :D :D

Verwirrungstiftende Grüße...

Robert
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Trebron » 02.01.2013 19:03

:sct:
Hast recht Robert :18: aber ich glaube, es stellt sich die Frage, wann der Begriff "Schwert" erfunden wurde, ebenso ist die Frage ab wann der Begriff "Dolch" verwendet wurde und vor allem auch WO ?
Welchen Begriff gab es eher ?


:rhino:
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon FlintSource » 05.01.2013 01:20

Da muss ich mich als Waffen- und Werkzeugnarr sowie Funktionalist doch mal zu Wort melden, auch wenn ich keine blasse Schimmer von Ahnung habe über BZ A1/A2 in Süddeutschland.

Erstens: Gibt es da kein schöner Band in der Reihe Prähistorische Bronzefunde (PBF) mit zwölf Supplementen der sich genau hiermit beschäftigt?

Wenn nein: Zweitens wäre das natürlich eine schöne Titel für eine ausführliche (funktionelle/typologische) Arbeit: Langdolch oder Kurzschwert. Eine Begriffsklärung.

Das ist (drittens) nicht ganz unseriös gemeint: Es gibt ein deutlicher funktioneller Unterschied zwischen Dolch und Schwert. Zwar sind beide zweischneidig, aber mit Dolchen wird gestochen und mit Schwertern wird geschlagen. Das sollte sich anhand der Schneidewinkel, Ausformung der Spitze und allgemeinen Morphologie doch irgendwie festmachen lassen. Die beiden Klingen aus Nebra werden zwar als 'Schwerter' klassifiziert, aber von der Form her, speziell die wenig abgesetzte Spitze, der erst in der hinteren Hälfte der Klinge ausgeprägte Mittelgrad, kurzer Griff und sehr breiter Übergang zwischen Klinge und Griff sprechen alle für eine vorwärts gerichtete Bewegung und gegen eine seitliche Belastung. Sprich:Eher Langdolch als Kurzschwert.

Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Blattspitze » 05.01.2013 12:57

Mir wurde vor Jahren "Prähistorische Bronzefunde (PBF), Bd.15 : Die Schwerter in Ostdeutschland (Prahistorische Bronzefunde) (2004) von Harry Wüstemann" geschenkt. Dieser Autor hat zuvor schon "Die Dolche in Ostdeutschland" publiziert, das mir nicht vorliegt.
Zumindest in seinem Schwerter-Wälzer, der eigentlich nur ein ausschließlicher aber sehr schöner Katalog ohne konkrete Fragestellung ist, finde ich keine Definition was ein Schwert in Abgrenzung zum Dolch ist.
Im englischen Sprachraum werden lange Bronzeklingen, die man aufgrund der eher schwächeren Klingen ausschließlich als Stichwaffen interpretiert als "rapiers" also Rapiere bezeichnet. Damit hätten wir drei Begriffe?
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon hugo » 05.01.2013 21:00

Lang hab ich zugewartet. Jetzt misch ich mich auch ein.
Mykenische Langdolche werden meines Wissens auch im Deutschen als Rapiere angesprochen.
Es wird klar zwischen Hieb- und Stoßschwertern unterschieden. Der Gladius ist ein Stoßschwert, die Spatha die Hiebwaffe. Komplizierter wirds schon beim Sax mit dem man hingehauen hat, gelegentlich aber auch gestochen obwohl er eigentlich ein einschneidiges Langmesser ist. Mit dem Gladius hat man sicher auch auf den Gegner eingehauen wenn es die Situation erforderte und einem das (eigene) Leben lieb war.
Wie die Bronzezeitler ihre Waffen bezeichneten, ob ihnen der Unterschied zwischen Langdolch und Kurzschwert bekannt und wichtig war und ob sie im Kampf auf eine scharfe Trennung zwischen Hieb- und Stichwaffen achteten, wird Generationen von Archäologen noch ermöglichen, sich mit weitsichtigen Hypothesen zu profilieren. Die Suche für die bronzezeitliche Bezeichnung dieser Dinger bleibt eine lohnenswerte Aufgabe für Linguisten.
Ich gebe Steve Lenz recht und bevorzuge "Schwolch". Bitte um Rückmeldungen falls jemand das Gegenteil beweisen kann.
:-D :-D :-D
Im Übrigen hab ich in meiner Jugend gern gefochten und auch scharfe Waffen nicht verschmäht.
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
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Re: Schwert oder Dolch?

Beitragvon Steve Lenz » 05.01.2013 21:44

Wie die Bronzezeitler ihre Waffen bezeichneten, ob ihnen der Unterschied zwischen Langdolch und Kurzschwert bekannt und wichtig war und ob sie im Kampf auf eine scharfe Trennung zwischen Hieb- und Stichwaffen achteten, wird Generationen von Archäologen noch ermöglichen, sich mit weitsichtigen Hypothesen zu profilieren. Die Suche für die bronzezeitliche Bezeichnung dieser Dinger bleibt eine lohnenswerte Aufgabe für Linguisten.


Man unterstellt ja der baskischen Sprache, dass diese ein Relikt aus dem Neolithikum sein könnte. Das baskische Wort für Dolch ist "Daga". Hieraus kann man Dagger, Dague, Degen ableiten. Degen ist ein altdeutsches Wort für Stichwerkzeug der Nichtadeligen. Gerne verwendet man heutzutage diese Bezeichnung fälschlicher Weise für das Florett.

Schwert wird baskisch "Ezpata" genannt, was alles bezeichnet, was über 60cm misst und zum Schneiden wie zum Stechen geeignet ist. Hieraus kann man Espada, Spatha, Sword, Epée und Schwert ableiten.

Will man also der These folgen, dass Proto-Baskisch vor mehreren tausend Jahren ähnlich klang wie heutiges, so muss man der Logik folgen und davon ausgehen, dass so etwas wie "Daga" alles unter 60cm und sowas wie "Ezpata" alles darüber abdeckte.

Jedenfalls reicht das für mich, um es zu postulieren.
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