Karthagische Pentere

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Karthagische Pentere

Beitragvon Armin » 04.09.2007 16:32

Hi zusammen,

ging mir gerade mal wieder durch den Kopf nachdem ich den Beitrag über den Nachbau des Römer-Bootes gelesen hab'.

Gibt es mittlerweile eigentlich eine gefestigte Meinung wie die in der römischen Literatur zitierten karthagischen (oder generell phönizischen?) Penteren (Fünfruderer) ausgesehen haben? Ich bin da noch auf dem Stand der Diskussion, dass sich die Gelehrten streiten ob es sich um 5 stöckige Schiffe, also mit 5 Etagen Ruderern übereinander (riesig, sehr hoch, eher unwahrscheinlich) oder um flache breite Schiffe mit jeweils 5 Ruderern an einem Riemen gehandelt hat. (wahrscheinlicher aus meiner Sicht, da sie angeblich sehr schnell waren)

Gibt es zu phönizischen/karthagischen Schiffe Funde/Befunde?

Wäre interessant zu wissen.

Gruss

Armin
Armin
 

Beitragvon grafschauenburg » 04.09.2007 16:57

Du meinst "so"?

Bild

Vorstellung einer Pentere nach Graser (es handelt sich um eine Entwurfszeichnung, also Annahme. Leider konnte ich nicht herausfinden, um was für einen Herrn "Graser" es sich handelt! Wer etwas zu dieser Person sagen kann - gerne!).

http://de.wikipedia.org/wiki/Quinquereme

Folgt man dem Bericht "Römische Kriegsschiffe bis zum Ende der Republik", wohl sehr unwahrscheinlich. Wie lang wäre dann das Ruder des auf der fünften Ebene sitzenden und könnte er es denn noch bewegen in dem Winkel?

Über karthagische Wrackfunde ist mir nichts bekannt, deswegen zitiere ich hier Folgendes:
"...Das auf Sizilien gerichtete Interesse Roms führte 264 v. Chr. zum Konflikt mit den Puniern, die nicht nur Handelskrieg führten, sondern auch die italische Küste überfielen. Bei einem durch Fahrzeuge griechischer Alliierter ermöglichten Landungsunternehmen in der Straße von Messina von einem punischen Geschwader angegriffen, lief eines der Kriegsschiffe auf Grund und geriet so in römische Hände (Polybios, hist.I 20,9 - 21,3). Auch dieses Kriegsschiff war kein eigenständig römischer Entwurf, sondern Kopie einer rhodischen Variante des Fünfruderers (Polybios, hist I 59,8). Römisches Seekriegswesen orientierte sich also an den Standards griechisch-punischen Schiffbaus..."
Somit kann die römische Quinquereme durchaus als Vergleichsobjekt für die karthagische Pentere dienen.

Jetzt stellt sich nur noch die Frage nach der Anzahl der Ebenen. Eine, sodaß fünf Ruderer an einem Ruder saßen oder zwei, drei? Bei einer Ebene führt dies zwangsläufig in Breite des Schiffs. Fünf Ruderer je auf der rechten und linken Seite des Schiffs.

Für die römische Quinquereme verfügen wir über seltene schiffshistorische Detailinformationen (Polybios, hist. I 26,7-8), der die Besatzung der im 1. Punischen Krieg eingesetzten Penteren mit 300 Ruderern und 120 Kämpfern angibt.

Für das fünfrangige (römische!) Kriegsschiff gibt es eine Rekonstruktionszeichnung, angelehnt an das Reliefbild aus Palestrina (Praeneste). Im Fall von drei Riemenreihen entspricht dies zweimal doppelter (untere und mittlere Ebene) und einmal einfacher Riemenbesatzung (obere Ebene). Die Ebenen sind 0,5 - 1m versetzt.

http://www.legiiavg.org.uk/images/classis1.jpg

Darstellung eines schweren Kampfschiffes mit Gefechtsturm, wahrscheinlich spätes 1. Jahrhundert v. Chr. In zwei Reihen angeordnete Riemen zur Bordwand hin, eine mutmaßliche dritte Riemenreihe (darüber!) ist bis zu den Ruderblattenden eingeholt.

Quellangaben:
Wikipedia (siehe Link oben).
AiD - Antike Schifffahrt, Seiten 45,48,49,63.
Zuletzt geändert von grafschauenburg am 04.09.2007 18:22, insgesamt 7-mal geändert.
grafschauenburg
 

Beitragvon menhir » 04.09.2007 17:04

Wow... interessantes Teil!

Weisst du zufällig mehr über diese Zeichnung? Also nach was für Gesichtspunkten die gefertigt wurde? Gibts da ein archäologisches Vorbild, nachdem die Zeichnung angefertigt wurde, oder ist das ein "Rekonstruktionsvorschlag"?
menhir
 

Beitragvon R. Schumann » 04.09.2007 19:20

Warum lest ihr euch die Links nicht durch die ihr postet?

Auf wie viele Ebenen die Ruderer verteilt waren, ist in der Forschung umstritten, da die Angaben der antiken Autoren und bildliche Darstellungen in dieser Hinsicht zu knapp sind. Heute ist man sicher, dass es keine Riemenschiffe mit mehr als drei Ebenen gab. Ein Riemenschiff mit fünf Ebenen übereinander, wie der Entwurf von Graser zeigte, ist faktisch unfahrbar. Die Synchronisation der Ruderebenen ist unmöglich. Vermutlich hatten die meisten ?Fünfruderer? drei Ebenen wie die Triere, wobei zwei Riemen doppelt besetzt waren; es sind aber auch Quinqueremen mit nur einer oder zwei Ruderebenen denkbar.
(Eben diese Wikipedia Seite)

sollte dann in den gegebenen Literaturverweisen weiter zu verfolgen sein ;)
MfG
R. Schumann
 
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Beitragvon menhir » 04.09.2007 21:42

R. Schumann hat geschrieben:Warum lest ihr euch die Links nicht durch die ihr postet?


Ähem... :oops:

Ich hätts schon gelesen, wenn das da gestanden wäre als ich meinen Poste schrieb (zu dem Zeitpunkt war der Poste noch etwas leerer und ich wusste nicht, dass der noch vollendet werden würde), aber auf die Idee mit Wikipedia hätt ich ja auch kommen können :oops:
menhir
 

Beitragvon Roland L. » 04.09.2007 22:18

Moin,
eine interessante Rekonstruktion, aber leider aus der Sicht eines Schiffstheoretikers eine sehr unwahrscheinliche.
Durch den sehr hohen Aufbau zur Unterbringung der Ruderer liegt der Gewichtsschwerpunkt der Konstruktion so hoch, dass ein Kentern des Schiffes wahrscheinlich und bei höherem Seegang nahezu unvermeidlich ist.
Der Rekonstrukteur hat diesem Umstand Rechnung getragen und dem Schiff einen tiefen Rumpf zur Aufnahme von reichlich Ballast gegeben. So wird eine Absenkung des Schwerpunkts erreicht.
Wenn man sich nun aber anschaut wie Ruderschiffe in der Antike konstruiert waren, stellt man fest, dass es sich um leichtgebaute, flachgehende Fahrzeuge handelt. Ein tiefer Rumpf bedingt eine hohe Verdrängung, welche wiederum die Fahreigenschaften (Geschwindigkeit, Manövrierbarkeit) sehr nachteilig beinflusst. Die Zeichnung hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Triereme2.png
entspricht sehr viel besser den Erkenntnissen der Schiffsarchäologie und schiffstheoretischen Gesichtspunkten.

Ein derartiges Fahrzeug ist meiner Meinung nach evtl. als ?Prunkjacht? denkbar, es gibt einige vergleichbare ?Fehlkonstruktionen? in der Geschichte, allerdings nicht als seegehendes Kriegschiff.

gruß,
Roland
der sein Geld mit der Berechnung von Schiffseigenschaften verdient
Roland L.
 

Beitragvon grafschauenburg » 05.09.2007 07:13

Hallo Roland,

das Bild oben dient heute allgemein als Beispiel, wie es wohl kaum funktioniert, aus den von dir sehr schön beschriebenen Gründen. Steht auch so in den Texten. Wenn der tiefgehende Rumpf (falls es solche Konstruktionen wirklich gab!) dann dazu genutzt wurde, um den Schwerpunkt abzusenken und durch Ballast ein Kentern zu verhindern, dann darf der Ballast nicht verrutschen können. Sonst ist auch in dem Fall ein Kentern vorprogrammiert, wenn der Ballast plötzlich sich auf nur mehr einer Seite befindet (siehe Pamir).
Dein Link ist super, er beschreibt bildlich exakt, wie eine Pentere (theoretisch) rudermäßig besetzt sein sollte.

Wenn hier von Prunkschiffen geredet bzw. ausgegangen wird (was ab einer gewissen Anzahl Ruderer und Bauart des Schiffes logisch erscheint), dann ist hier ein solches Beispiel. Als Kriegsschiff unbrauchbar, es geht um Luxus, Komfort, Prunk und Repräsentation:

http://www.suedbayerischesschifffahrtsm ... ges/31.jpg
http://www.suedbayerischesschifffahrtsm ... /f3/p3.htm

Einige werden vielleicht den Bericht gesehen/gelesen haben zu diesen Schiffen vom Nemisee.

Gruß

Peter.
grafschauenburg
 


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